Die Tränen der Massai
Das hier wird kein Ende haben. Du weißt es. Du willst es ebenso wie ich. Und wenn du glaubst, dass du das Beste schon erlebt hast, wirst du dich wundern.«
In der Stille zwischen den Sätzen konnte er jeden ihrer Atemzüge hören, denn sie hatte die Sprechmuschel dicht an den Mund gedrückt und vielleicht sogar die Hand darüber gelegt. Keine Spur der Verführung durfte ins Freie gelangen. Er zählte ihre Atemzüge, versuchte, Zeit zu schinden, versuchte, die Kraft zu finden, sich ihr zu verweigern.
»Das hier willst du dir nicht entgehen lassen. Ich habe etwas Besonderes.«
Nun konnte er seinen eigenen Atem hören, im Gleichklang mit ihrem. »Wann?« Er spürte, wie seine Erregung wuchs.
»Um elf.« Sie legte auf.
Der Strand war leer. Lang gezogene weiße Brecher rauschten ins seichte Wasser. Schaum zischte auf dem Sand und glitt dann wieder aufs Meer zu und in die nächste Welle hinein. Die ununterbrochene Bewegung war hypnotisch. Jack versank im Spiel von Brandung und Sand. Plötzlich hatte er ein Bild von Liz vor Augen. Er zwang es beiseite, wie bei jeder Gelegenheit in den letzten fünf Tagen, wenn die Gefahr bestanden hatte, dass er an sie dachte. Die Person, die jetzt seinen Körper beherrschte, war ihm fremd. Aber diesen Mann zu analysieren und mit seinem Gewissen fertig zu werden war eine Angelegenheit für einen anderen Zeitpunkt, einen anderen Ort. Der Flug morgen früh würde ihm Zeit geben, nachzudenken. Das hier war nicht er. Er würde diese surreale Erfahrung hinter sich lassen und zu seinem normalen Leben zurückkehren. Und dann würde er sich auch um sein Gewissen kümmern.
Er war etwa eine halbe Stunde in Gedanken versunken gewesen. Sie war nicht gekommen. Besser so, dachte er. Als sie erwähnt hatte, dass es nie enden würde, hatte ihn das beunruhigt.
Er drehte sich um, um zum Hotel zurückzukehren.
In den folgenden Monaten würde er darüber nachdenken, wie sehr anders sein Leben verlaufen wäre, wenn er nicht diesen letzten Blick zum Strand geworfen hätte. Chaostheorie – der Schlag eines einzelnen Schmetterlingsflügels tief in Amazonien und die unerklärliche Auswirkung, die er auf den Regen im Himalaja haben konnte.
Die Person war durch die Gischt kaum zu sehen. Der Strand bog sich landeinwärts, bevor er zur Klippe hinaus schmaler wurde. Das gab der Gestalt einen Hintergrund aus schimmerndem Schaum. Jack wusste, dass es O’Hara war.
Er zögerte.
Das hier willst du dir nicht entgehen lassen.
Sein Schatten, der vom Flutlicht des Hotels auf den Sand geworfen wurde, führte ihn zurück zum Strand.
Ihr rotes Kleid war wie ein nasses Hemd, das sich an ihre üppigen Kurven schmiegte. Er umfasste ihre Brust und leckte das Salz an ihrer Kehle ab. Sie schlang die Arme um ihn und führte ihn zu einer Senke in den flachen Dünen, direkt unterhalb einer Felsschulter, bevor diese sich zu der Landzunge hochzog. Der Wind trug das gedämpfte Geräusch der Wellen in ihr Versteck. Sie zog ihn neben sich auf den Boden und begann ihr exquisites Werk mit Händen, Mund und Zunge. Wieder baute sich diese quälende Sehnsucht nach ihrem Körper auf. »Nimm das hier«, sagte sie. Sie schüttelte den Sand von dem schwarzen Revolver mit dem kurzen Lauf. Jack schaute von der Waffe zu ihrem Gesicht, das bleich und immer noch nass vom Salzwasser war.
»Es ist das Spiel«, sagte sie. »Das letzte Mal.«
Das Gewicht der Waffe überraschte ihn, aber sie lag vollkommen ausbalanciert in seiner Hand. Eine wunderschöne, machtvolle Maschine, dachte er. Glatt und elegant. Sie war dazu gemacht, liebkost zu werden, und passte so gut in seine Handfläche, als hätte der Hersteller Jacks Hand zum Maßstab genommen.
»Wofür brauchst du das?«
O’Hara begann, seinen Gürtel aufzuschnallen.
»Warte mal«, sagte er. »Wieso hast du dieses Ding mitgebracht?«
Sie hatte seine Hose geöffnet, die Hand an seiner wachsenden Erektion. »Unser Spiel«, flüsterte sie.
»Aber was hat das hier damit zu tun?« Er hob die Waffe.
»Risiko und Folgen. Darum ging es doch immer. Wir haben schon mit Risiko gearbeitet, dem Risiko, erwischt zu werden. Aber die Folge … die Gefahr … gefährlicher Sex ist der beste.« Ihre Stimme war atemlos vor Erregung. »Erinnerst du dich, wie wir es gemacht haben, während du mich über das Balkongeländer gelehnt hast? Das war sensationell. Es ist die bevorstehende schreckliche Folge, die die Lust stimuliert. Die sie lebendig macht. Adrenalin. Die ultimative Sexdroge.«
Sie hatte
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