Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)
mein Freund?«, fragte Louise leise und schmiegte sich an ihren Geliebten.
»Dies Geschenk kann ich gar nicht hoch genug schätzen, Louise. Wie viel Glanz und Ruhm diese Waffe wohl gesehen hat!«
»Ich wusste, dass sie Euch gefallen würde.«
Mit geschlossenen Augen genoss sie die Liebkosungen von Charles, der zwar noch nicht sehr erfahren war, ihr aber dennoch köstliche Schauder verursachte.
Wie ein Jüngling lernte Charles bei jeder seiner nächtlichen Begnungen mit Louise mehr über den Zauber und die Lust der Zärtlichkeit; denn auch wenn er die Frauen nicht selten mit seinen Augen entblößte, waren seine Hände doch noch recht ungeübt. Louise seufzte genüsslich. Ihre eigene Lust war wieder erwacht und sehnte sich nach Erfüllung, während sie schon darüber nachdachte, wie sie ihre berauschende Wirkung in die Länge ziehen konnte. Als sie aber spürte, dass ihr Geliebter bereits den Gipfel der Glückseligkeit erreicht hatte, erinnerte sie sich daran, dass sie noch die ganze Nacht vor sich hatten, und gestattete sich zunächst einige praktische Überlegungen.
Sobald Charles abgereist war, wollte sie zu Marguerite nach Blois fahren. Sie verwarf also die Entscheidungen, die sie am Vorabend getroffen hatte. Falls Königin Anne ihr deshalb ihren Unmut zeigen würde, wollte sie einfach, wie schon so oft, tun, als hätte sie es nicht bemerkt.
Charles konnte seinen Aufenthalt in Amboise nicht weiter verlängern. Das hatte er ihr bereits zu verstehen gegeben. Wieder einmal war Louise auf der Hut; es war wie eine gute alte Sitte, an die sie sich erinnerte. Immer hatte sie das Gefühl, sie müsse etwas mit jemand anders teilen. Nun war es Bourbon, der eine Ehefrau hatte, mit der er sich keinen Zwist leisten konnte.
Die Zeit nutzen, an den Überlegungen feilen, ohne in die Banalität des Alltags zu verfallen, die guten Seiten des Lebens entdecken, um das Beste daraus zu machen, frei zu bleiben und ihr Leben so zu gestalten, wie es ihr gefiel – das waren die Aufgaben, die sich die Comtesse d’Angoulême gestellt hatte.
Bourbon war ein Weilchen in seligen Schlaf gesunken, regte sich nun aber wieder und streckte einen Arm aus. Louise nahm ihn und schob ihn unter ihren Kopf.
Erholt von dem kurzen Schlummer wollte Charles, der sein Vergnügen gehabt hatte, dafür sorgen, dass auch Louise zu ihrem Recht kam, die nun endlich bereit war, sich vollkommen gehen zu lassen. Keiner von beiden dachte mehr an seine Sorgen, und gemeinsam gaben sie sich der Liebe hin.
19.
Nach einem langen, kalten Winter kündigte sich im März der Frühling an. Wenn das auch vielleicht ein bisschen voreilig war, so freuten sich die Menschen in den Städten doch über den blauen Himmel, und auf dem Land lächelten die Bauern beim Anblick der ersten zarten Knospen und der schwarzen, krumigen Erde, die nur auf den Pflug zu warten schien.
Als Alix an diesem Morgen das Bett verließ, überkam sie heftige Übelkeit. Das machte ihr große Angst, aber sie zwang sich dazu, ruhig zu bleiben und nachzudenken. Immerhin hätte ihr das auch schon viel früher passieren können, als sie Alessandro noch kaum kannte.
Jetzt wusste sie, dass er die Sache nicht tragisch nehmen würde, sondern vielleicht sogar stolz darauf wäre, dass die Familie Van de Veere um einen kleinen Florentiner reicher wurde, auch wenn das Kind bei Alix aufwachsen sollte – was für sie außer Frage stand.
Alessandro war den Winter über in Tours geblieben und erst im Februar nach Florenz zurückgekehrt.
Während der ganzen Zeit hatte sich Mathias vollkommen zurückgezogen wie immer, wenn sich der Bankier in der Stadt aufhielt, hatte sich in die Arbeit gestürzt und die Werkstatt eigentlich nur verlassen, um den kleinen Nicolas zu sehen, der nach seinem Vater verlangte.
Erst nachdem Alessandro abgereist war, lächelte Mathias wieder, entspannte sich und brach sein Schweigen. Alix, die sich unnötige Auseinandersetzungen und Erklärungen ersparen wollte,
hielt sich an ihre Regeln: Nie brachte sie den Geliebten mit in die Werkstatt, höchstens in das Kontor, das Julio und Angela führten, nie erwähnte sie Alessandro vor Mathias, nie erlaubte sie ihm, in ihr Haus an der Place Foire-le-Roi zu kommen.
Mathias hatte seine Bedingungen gestellt, und nichts und niemand konnte ihn dazu bringen, sie zu ändern. Er weigerte sich kategorisch, den Florentiner kennenzulernen; er wollte ihm nicht begegnen und nicht mit ihm sprechen. Der Geliebte von Alix hatte für sie ein Haus mitten in
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