Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)

Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)

Titel: Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyne Godard
Vom Netzwerk:
gern mit Louise unterhielt, hatte ihr Louis XII. erklärt, dass ein Gonfaloniere so etwas wie ein italienischer Ritter war. Er bekam das Banner mit dem roten Kreuz auf weißem Grund überreicht und trug es zu Pferde mit einer herrschaftlichen Eskorte zur
Schau. Er wohnte in einem Palazzo, ging am Hofe ein und aus und hatte unzählige Dienstboten. Wie die anderen Gonfaloniere besaß auch Alessandro über ganz Italien verstreut Residenzen, Ländereien, Domänen und Wälder.
    Aber weder Louise noch Alix wussten, und vermutlich war es auch Dame Briçonnet unbekannt, dass vier große Stadtviertel von Florenz diese wichtigen Posten unter sich aufteilten und dass diese Männer natürlich auch noch die bedeutendsten Florentiner Bankiers in Person waren. Deshalb stellten die Viertel San Spirito, San Giovanni, Santa Croce und Santa Maria Novella jeweils einen der vier Gonfaloniere.
    Alessandro war der Gonfaloniere von San Giovanni und lebte so angenehm wie ein Prinz.
     
    »Jetzt haben wir alle Zeit der Welt«, meinte Alix lachend. »Alessandro wird diskutieren, palavern, überlegen, erwägen, prüfen und vorschlagen. Ich glaube nicht, dass Louise heute schon eine Antwort bekommt, weil er wahrscheinlich erst mit den Florentiner Beamten sprechen muss: Den Justizbeamten, also den Prioren, der Exekutive und den Notaren – die Florentiner Hierarchie ist ein richtiges Triumvirat! So hat er es mir zumindest erklärt; dabei weiß ich noch längst nicht alles über das System der Florentiner Gonfaloniere.«
    »Ich bin jedenfalls sehr beeindruckt«, meinte Catherine. »Glaubt Ihr denn, dass er mich nach den nur zu verständlichen Anliegen der Gräfin d’Angoulême überhaupt noch anhören wird?«
    »Alessandro ist zu allem bereit. Mit Sicherheit hört er Euch an. Habt Ihr denn große Pläne?«
    Schweigend gingen sie durch eine Allee, die um das Haus herumführte. Vor einem mächtigen Hortensienbusch blieb Dame Bohier stehen und wandte Alix ihr Gesicht zu, das seit der Begegnung mit Alessandro etwas Farbe bekommen hatte.
    »Ihr gefallt mir sehr, Alix.«
    Sie lächelte Alix an, nahm freundschaftlich ihren Arm und geleitete sie zu einem kleinen Teich.
    »Darf ich Euch Alix nennen? Ihr könnt mich Catherine nennen. Wollen wir auf die Höflichkeitsfloskeln verzichten? Mir scheint, wir könnten gute Freundinnen werden.«
    »Aber ich kenne Euch ja kaum!«, meinte Alix und musterte sie unauffällig von der Seite. »Seit meinen unglücklichen Erfahrungen als Weberin bin ich sehr misstrauisch geworden.«
    »Das kann ich sehr gut verstehen. Aber ich werde es schon dazu bringen, dass auch Ihr mich schätzt. Mein Gefühl lässt mich nämlich nur äußerst selten im Stich – diese glückliche Gabe hatte ich bereits als kleines Kind. Wahrscheinlich habe ich mich aus diesem Grund für die Welt des Geldes entschieden.«
    »Hat Euch Eure Familie dabei unterstützt?«
    »Oh ja! Mein Vater, mein Bruder, mein Onkel Jacques – alle sind meine Lehrer. Selbst mein Mann hat nichts dagegen, dass ich bei allen Börsen entscheide, wann sie geöffnet oder geschlossen werden. Nun …«
    Sie ließ Alix’ Arm los und sagte:
    »Moment mal! Was haltet Ihr davon, wenn wir ein wenig auf diesen bequemen Gartensesseln Platz nehmen? Ich möchte, dass wir uns näher kennenlernen. Und weil Ihr mir, wie gesagt, sehr gut gefallt, will ich Euch etwas anvertrauen.«
    Sie musste lauthals lachen. Das gutturale Gelächter aus ihrem dicken Hals passte recht gut zu ihrem Charme, genau wie die prallen Hüften zu ihrem festen Gang.
    »Nein! Stimmt nicht, ich bin eine Heuchlerin. Es ist gar kein Geheimnis, weil Ihr gleich in Gegenwart Eures Freundes Van de Veere davon hören werdet. Kennt Ihr in Chenonceau die geschleifte Festung der Familie Marques?«
    »Nein, leider kenne ich mich dort gar nicht gut aus.«
    »Mein Mann und ich haben diese Ruinen jedenfalls für zwölftausend Pfund gekauft. Jetzt sind wir dabei, Ländereien und Grund drum herum zu erwerben, um eine Kastellanei zu gründen.«
    »Das ist in der Tat ein schöner Plan.«
    »Wir wollen ein bequemes und behagliches Schloss daraus machen, das nicht mehr an die alte Festung erinnert. Ich würde gern einen großen quadratischen Pavillon im Renaissancestil bauen lassen. Deshalb brauche ich einen Bankier aus Italien, der dieser Renaissance nahesteht, die in Frankreich gerade Furore macht.«
    Unvermittelt wechselte sie das Thema und fragte besorgt:
    »Louise sagte mir, dass Ihr Witwe seid. Habt Ihr denn Kinder?«
    »Ich

Weitere Kostenlose Bücher