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Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)

Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)

Titel: Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyne Godard
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selbstbewussten Auftreten nach musste sie die Besitzerin der Werkstatt sein. Er blieb zögernd stehen und überlegte, wie er diese Frau ansprechen sollte, die vermutlich Webermeisterin war und eine der größten Werkstätten von Tours leitete, wenn nicht die größte überhaupt.
    Man sah ihm an, dass er sonst eher mit Lehrmädchen und Arbeiterinnen zu tun hatte. Schließlich fasste er sich doch ein Herz und holte ein Dokument aus seiner Börse, das vom vielen Lesen schon ganz zerknittert war.
    »Hier habe ich eine Lobrede auf meine Arbeit, Dame Cassex. Damit werde ich bestimmt eine gute Stelle finden.«
    »Wer hat dir das Zeugnis geschrieben?«, fragte Alix und sah ihm in die Augen.
    »Mein früherer Meister.«
    Alix nahm das Papier und faltete es auf. Das Zeugnis war kurz und bündig geschrieben und lobte in wenigen Worten die gute Arbeit des jungen Mannes.
    Alix war damit eigentlich zufrieden, ließ sich das aber nicht anmerken. Sie wollte erst noch ein paar Worte mit dem großen Jungen wechseln, ehe sie eine Entscheidung traf. Wieder sah sie ihn an, und sein offener, ehrlicher Blick gefiel ihr.
    »Von wem stammt das Zeugnis?«
    »Von einem Webermeister aus Paris, Maître Dugandin.«
    »Dann kommst du also vom Boulevard Saint-Jacques?«
    »Ja.«
    »Warum bist du dort weggegangen?«
    »Weil mein Vater gestorben ist und mich meine Mutter brauchte.«
    »Das heißt also, du verdienst doppeltes Lob. Du hast also gar nicht an dein eigenes Fortkommen gedacht und nur an das Wohlergehen deiner Mutter?«
    »Ja.«
    Der junge Mann wirkte wirklich sehr aufrichtig, aber Alix spürte, dass er nicht alles sagte. Das war auch sein gutes Recht, doch Mathias wollte mehr erfahren.
    »Wo lebt deine Mutter?«
    »In Tours, gleich hinter der Kirche Saint-Pierre.«
    »Das ist nicht weit von hier. Da müsste sie unsere Werkstatt eigentlich kennen.«
    »Sie hat mich auch zu Euch geschickt. Sie weiß, dass ich gut arbeiten kann und hat gehofft, Ihr würdet mich einstellen.«
    »Wie heißt du denn?«
    »Philippe.«
    »Wie alt bist du?«
    »Ich bin achtzehn.«
    »Also gut, Philippe«, mischte sich Alix jetzt wieder ein, »du zeigst uns jetzt, was du kannst, und wenn wir zufrieden sind, kommst du morgen wieder. Dann bleibst du eine Woche bei uns, danach sehen wir weiter. Hast du deine Lehre bei Maître Dugandin gemacht?«
    »Ja, ich bin erst seit Kurzem Arbeiter, weil mein Vater kürzlich gestorben ist.«
    »Warum bist du nach Paris ausgewandert? In Tours gibt es doch so viele Weber?«
    »Ich habe mich nicht mit meinem Vater verstanden.«
    Alix wollte nicht weiter fragen, aber Mathias hatte noch nicht genug erfahren.
    »Als du deine Eltern verlassen hast, kannst du höchstens zwölf oder dreizehn Jahre alt gewesen sein. Was ist da passiert?«
    »Ich bitte dich, Mathias!«, protestierte Alix, »dieser junge Mann will uns vielleicht nicht seine ganze Lebensgeschichte erzählen.«
    »Als Pierrot zu uns kam, hast du doch auch verlangt, dass er uns nichts verheimlicht. Wenn wir nichts über seine Familie wissen, können wir ihn nicht einstellen. Ich halte mich nur an die Regeln, Alix, und du weißt, es ist besser so.«
    »Meine Mutter hat noch einmal geheiratet, als ich zehn war«, beeilte sich Philippe zu sagen, aus Angst, er könnte sonst vielleicht abgewiesen werden.
    »Er war also dein Stiefvater.«
    Der junge Mann nickte.
    »Und ihr konntet euch nicht leiden.«
    »Ja, das heißt«, er zögerte etwas, »ich wäre schon mit ihm zurechtgekommen, aber er konnte mich nicht ausstehen.«
    »Hat er dich geschlagen?«
    Wieder nickte Philippe.
    »In Ordnung, mehr muss ich nicht wissen. Tu jetzt, was dir Dame Cassex aufträgt.«
    »Komm mit«, sagte Alix und nahm seinen Arm. »Setz dich neben Arnaude und sieh dir die Schussfäden ganz genau an. Das ist der letzte Teppich aus einem sechsteiligen Ensemble für die Comtesse d’Angoulême, und wir müssen ihn bald fertig bekommen, damit wir uns an neue Aufträge machen können.«
    »Was soll er machen?«, fragte sie Arnaude.
    Arnaude überlegte kurz und zeigte dann auf den oberen Teil des Teppichs, wo noch der Gewebeuntergrund fehlte.
    »Am besten wäre, er spannte die Schussfäden auf dem letzten
Stück, das noch gewebt werden muss. Wenn er damit fertig ist, kann er es auch gleich weben.«
    Philippe ließ sich nicht lang bitten und machte sich sofort an die Arbeit. Seine Hände waren sehr geschickt, er sah genau hin und war ganz bei der Sache. Im Handumdrehen hatte er die Fläche, die ihm zugeteilt war, mit

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