Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)
öffnete er ihr Mieder, ehe er sich vergewisserte, dass sie ihm nicht entkommen konnte. Aber Alix wehrte sich nicht mehr.
Hastig riss er ihr das Kleid vom Leib, schleuderte es zu Boden und warf sich mit seinem ganzen Gewicht über sie. Was war aus den Zärtlichkeiten geworden, die er ihr sonst geschenkt hatte, ehe er sein eigenes Vergnügen einforderte? Er entblößte sie absichtlich gewaltsam. Als sie vollkommen nackt war, nahm er sie rücksichtslos. Alix blieb stocksteif liegen. Beinahe hörte sie auf zu atmen. Alles an ihr war reglos, abgesehen von seinen mechanischen Zuckungen, die sie hinnehmen musste. Als sich Alessandro zurückzog, schien er sich beruhigt zu haben.
»Ich würde es schon merken, wenn du mich betrügst«, knurrte er nur.
Alix stand auf. Er ließ sie gehen, beobachtete sie aber finster. Alix ließ sich Zeit, damit er ihren nackten Körper ausgiebig betrachten konnte. Ihr Mund verzog sich bitter, und nun brach der ganze Zorn aus ihr heraus.
»Und was ist mit dir?«, schrie sie ihn an. »Bedränge ich dich etwa ständig mit Fragen nach deiner Ehefrau, die du angeblich nicht mehr siehst, oder nach deinen Maitressen, die sich in Florenz und anderswo räkeln, im Palazzo Medici oder irgendeinem deiner anderen Anwesen, die du gar nicht mehr zählen kannst, weil du so viele hast? Habe ich dir vielleicht eine Szene gemacht?«
»Ich trage keine Schuld an dem Skandal in deiner Werkstatt.
Schuld ist dieser Mann, der mich angegriffen hat«, erwiderte er jetzt wieder ganz ruhig.
»Bin ich vielleicht zu dir nach Hause gekommen, um dich in Verlegenheit zu bringen? Habe ich dein Privatleben gestört, dein Liebesleben? Habe ich mich etwa vor deinen Leuten zur Schau gestellt? Nein, Alessandro, ich bin viel anständiger als du.«
Sie warf ihm einen vernichtenden Blick zu. Alix war nackt und wunderschön, ihre Haut schimmerte perlmuttfarben wie das Innere einer Muschel, und er war noch immer überwältigt von ihr. Sie spürte, dass er ins Grübeln kam. Die Wahrheit, die ihm Mathias an den Kopf geworfen hatte und die Alix nun wiederholte, ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Seine ach so enorme Selbstsicherheit wurde brüchig. Plötzlich bekam er Angst, sie zu verlieren.
»Komm zu mir, Alix!«, bat er und streckte die Hand nach ihr aus.
Aber Alix war noch nicht mit ihm fertig, und in ihrem Kopf spukte die Vorstellung von einem unglücklichen Mathias, der nicht ein noch aus wusste.
»Was bildet ihr euch eigentlich ein, ihr Männer?«, tobte sie. »Seit Jahrhunderten beansprucht ihr, euch mit Frauen zu schmücken, die euch gar nicht gehören. Und wir sollen nichts dagegen sagen! Glaubt ihr etwa, das gibt euch das Recht, zu tun, was ihr wollt?«
Er hielt ihr noch immer die Hand hin.
»Du bist es, der mich betrügt, Alessandro. Du betrügst mich! Weil du ein mächtiger Gonfaloniere aus Florenz bist, glaubst du, du darfst mich täuschen, düpieren und betrügen mit deiner ominösen Gattin, die du hin und wieder besuchst, und mit den ganzen Mädchen, die ich nicht kenne und die ich Gott sei Dank auch nie kennenlernen werde, weil du sie da versteckst, wohin ich nicht komme. Wahrscheinlich sind sie kokett und dumm.«
Alessandro sah sie traurig an. Alix genoss es, das Spiel fortzusetzen, weil sie merkte, dass sie die Fäden in der Hand hatte.
»Nein, ich komme niemals zu dir nach Italien!«
»Alix, bitte …«
»Ich habe nämlich nur diese Werkstatt«, unterbrach sie ihn. »Und da bist du einfach hereingeplatzt, ohne mich zu warnen.«
Sie bückte sich und sammelte ihre Kleider ein, die auf dem dicken Teppich verstreut lagen.
»Verstehst du denn nicht, dass ich Frieden und Eintracht für meine Arbeit brauche? Weißt du nicht, dass es für eine Frau viel schwieriger ist, beruflichen Erfolg zu haben, als für einen Mann, und dass ihr Ansehen in der Gesellschaft deshalb ungetrübt sein muss? Kannst du dir nicht vorstellen, dass ich für einen Mann Zuneigung empfinden kann, ohne mich deshalb gleich zu ihm ins Bett zu legen? Warum sollte ich dir meine Unschuld beweisen, wenn du mir deine nicht beweisen musst?«
Alix begann sich anzuziehen.
»Lass die Kleider liegen und komm her!«, befahl er ihr.
»Es ist genug, Sire Van de Veere. Ich finde Eure Überheblichkeit unerträglich, Eure herrische Art und Eure Treulosigkeit. Ihr nehmt Euch das Recht heraus, jeden zu täuschen, und schämt Euch kein bisschen dafür. Ihr seid untreu und ein Verräter, nicht ich! Ich habe lediglich Achtung vor einem guten, treuen Freund,
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