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Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)

Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)

Titel: Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyne Godard
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mit dem Kind, die sie sehr friedlich und heiter stimmten und ihr neue Kräfte schenkten. Eine Quelle neuen Lebensmutes. Sie hatte sich wieder einigermaßen gefasst, wenn sie auch wusste, dass sie die Geschichte in der kommenden schlaflosen Nacht verfolgen würde. Aber sie durfte sich einfach nicht von Bitterkeit und Groll überwältigen lassen, das schadete nur ihrer Arbeit.
    Morgen wollte sie sich tapfer den Blicken von Arnaude, Philippe und Grégoire stellen und schon an diesem Tag beim Abendessen Pierrot, Julio und Angela und vor allem Mathias in die Augen sehen.
    Bis zum Abend blieb sie in ihrem Zimmer. Sobald es dunkel wurde, sperrte Mathias die Werkstatt zu.
    Alix stand auf, brachte Nicolas zu Bett, deckte ihn zu und gab ihm einen zärtlichen Kuss.
    »Sagst du Papa, dass er mir noch einen Gutenachtkuss geben soll?«
    »Versprochen, mein Engelchen. Er kommt dir wie jeden Tag Gute Nacht sagen.«
    Als sich die Tür öffnete und Julio hereinkam, spürte sie sofort, dass er von dem Streit zwischen Sire Van de Veere und Mathias wusste. Vielleicht war er sogar Zeuge der Szene im Hof gewesen; Alix hatte in dem Moment natürlich nicht darauf geachtet, wer ihnen zusah.
    Julio sagte kein Wort, aber sie spürte seinen Blick. Pierrot benahm sich wie immer. Hatte er beschlossen, so zu tun, als wüsste er von nichts? Jedenfalls musste er ebenfalls eingeweiht werden, denn als er erklärte, dass Mathias nicht zum Abendessen kommen würde, flüsterte ihm Julio zu:
    »Geh ihn holen und sag ihm, dass Alix wieder zu Hause ist. Er denkt wahrscheinlich, sie wäre in der Stadt geblieben.«
    Alix dankte es ihm mit einem herzlichen Blick. Kein anderer besaß so viel Anstand und Taktgefühl. Wäre da nicht Angela gewesen, die ihn mit ihren sanften Augen anbetete und bereit war, ihm ihr Herz zu schenken, hätte Julio einen prächtigen Prälaten abgegeben.
    Wenig später kam Pierrot in Begleitung von Mathias zurück und unterhielt die Gesellschaft mit einer kleinen Geschichte, die sich unterwegs zugetragen hatte.
    »Stellt euch vor, der dicke Kutscher versperrte mit seinem Wagen die Straße«, erzählte er vergnügt, »und sein Pferd stieg hoch und hätte beinahe die ganze Ladung auf die Straße gekippt.«
    »Und was hatte er auf dem Wagen?«, wollte die Bertille wissen.
    »Ach, das war nur Viehfutter«, meinte Mathias und warf Alix einen Blick aus den Augenwinkeln zu.
    »Nicolas hat gerade nach dir gefragt«, sagte Alix und nahm sich Erbsensuppe. »Will noch jemand Suppe?«
    Mit der Kelle in der Hand sah sie fragend in die Runde. Mathias
reichte ihr seinen Teller. Ihre Blicke trafen sich, und Alix lächelte ihn an.
     
    Am nächsten Morgen hätte ein ganz normaler Tag beginnen können, aber er verlief dann doch ganz anders – wie immer, wenn Besuch in die Werkstatt kam.
    Mittlerweile fanden immer mehr Kunden den Weg zur Place Foire-le-Roi, weil sie von den schönen Tapisserien, die in den Werkstätten der Witwe Alix Cassex ausgestellt wurden, gehört hatten. Immer öfter erschienen kleine Provinzherren aus der Touraine oder von anderswo oder auch reiche Kaufleute, die mit Holz, Wein oder Öl handelten, und wollten Teppiche für die Wände ihrer großen Häuser kaufen.
    Als sich die Tür an diesem Morgen öffnete, erschrak Alix nicht beim Anblick der Person, die sich schnell in der Werkstatt umsah, um sicherzugehen, dass sie hier richtig war.
    »Catherine!«, rief Alix überrascht und lief auf sie zu.
    Nach wie vor ein wenig korpulent, aber graziös und mit einem charmanten Lächeln schloss Catherine Bohier oder Dame Briçonnet die Türe hinter sich.
    »Schon lange will ich Eure Werkstatt besuchen, Alix, und hier bin ich nun endlich! Ach, ich habe wirklich überhaupt keine Zeit. Schloss Chenonceau raubt mir jede freie Minute. Dem Himmel sei Dank für diesen Tag!«
    »Das alte Herrenhaus zu renovieren macht Euch aber doch auch Freude, Catherine. Behauptet jetzt nur nicht das Gegenteil, ich würde Euch nicht glauben.«
    »Ja, doch, natürlich bin ich ganz begeistert. Aber es gibt noch immer so viel zu tun.«
    »Geht es denn nicht vorwärts?«
    »Doch, schon. Es ist mir endlich gelungen, die Forste, Wälder,
Felder und die übrigen angrenzenden Ländereien zu einer Kastellanei zusammenzuführen. Nachdem nun also die Voraussetzungen erfüllt sind, kann ich endlich mit den Baumaßnahmen beginnen.«
    Dieser Besuch bedeutete für Alix eine willkommene Gelegenheit, den unerfreulichen Vortag für Arnaude und ihre Arbeiter vergessen zu machen, und

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