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Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)

Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)

Titel: Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyne Godard
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der in meiner Werkstatt arbeitet. Was kann ich dafür, wenn er mich liebt? Ich setze ihn doch nicht vor die Tür, weil er Gefühle für mich hegt, die ich nicht teile. Er bedrängt mich nicht, er spricht nicht davon und wagt nicht einmal die Andeutung einer Avance. Und wenn er gehen will, halte ich ihn nicht auf.«
    Sie schlüpfte in ihr Kleid und stand jetzt vor Alessandro.
    »Aber wie ist es mit Euch, Monsieur, seid Ihr in der Lage, Euch
Eurer Frau und Euren zahlreichen Maitressen zu verweigern, wenn sie Anspruch auf Euch erheben?«
    Als sie ihre Haube aufsetzte, begriff er, dass sie entschlossen war zu gehen. Er versuchte zwar, sie zurückzuhalten, aber nicht mehr so grob wie kurz zuvor. Er wollte ihr die Hand reichen, aber sie nahm sie nicht.
    »Lasst mich jetzt, Sire Van de Veere, ich will nach Hause.«
    »Dann komme ich Euch holen«, murrte er. »Meinetwegen setze ich keinen Fuß mehr in Eure Werkstatt. Aber ich komme in Euer Haus an der Place Foire-le-Roi. Ich komme und hole Euch zu mir!«
    Als sie nur spöttisch lachte, war er sichtlich verwirrt.
    »Das hat wohl keinen Sinn«, meinte sie dann. »Bei mir zu Hause begegnet Ihr nämlich Mathias. Wie alle meine Angestellten isst er mit mir zu Abend, und er schläft in einem Nebengebäude.«
    Alessandros Augen funkelten wütend, und er stieß einen Fluch aus.
    »Er lebt also in Eurem Haus, und Ihr teilt Euer Lager.«
    Alix warf ihm einen letzten eisigen Blick zu und sagte zornbebend:
    »Adieu, Messire Van de Veere, ich verlasse Euch jetzt und will Euch nie wiedersehen.«
     
    Sie musste zu Fuß nach Hause gehen, weil Alessandro sie in seine Kutsche geschoben hatte, als sie die Werkstatt fluchtartig verlassen mussten. Die Kirchturmuhr schlug zwölf Uhr mittags, als sie zu Hause ankam.
    »Wo kommt Ihr denn um diese Zeit her?«, rief die Bertille bei ihrem Anblick erstaunt. »Was ist passiert?«
    »Nichts ist passiert, Bertille, ich bin einfach nur müde und will mich ausruhen.«
    »Seid Ihr krank?«, fragte die alte Dienerin sie verwundert, aber Alix gab ihr keine Antwort.
    »So sagt doch endlich, was los ist! Ihr kommt doch sonst nicht einfach am hellichten Tag nach Hause, um Euch auszuruhen.«
    »Heute ist es aber nun einmal so. Lass mich, Bertille, ich will ein bisschen schlafen. Das ist alles.«
    »Nach all den Nächten, die Ihr in der Werkstatt bei der Arbeit an den Teppichen zugebracht habt, wundert mich das eigentlich nicht«, grummelte die Bertille und zuckte die Schultern. »Ihr seid einfach erschöpft.«
    »Ja, das wird es sein. Ich bin erschöpft.«
    Mit einem Blick hatte Bertille erkannt, dass Alix ziemlich derangiert war und niedergeschlagen wirkte.
    »Geht in Euer Zimmer und legt Euch hin, Herzchen. Ich bringe Euch eine gute Bouillon; die beruhigt Eure Nerven, die es scheint’s nötig haben.«
    Mit einem tiefen Seufzer fuhr sie fort: »Ich könnte wetten, dass da noch etwas anderes ist, was Ihr mir nicht sagen wollt. Ich schicke Nicolas zu Euch, der bringt Euch auf andere Gedanken. Der Kleine tut Euch immer gut.«
    Sobald Alix in ihrem Zimmer war, streckte sie sich auf dem Bett aus, war aber noch viel zu unruhig, um zu schlafen. Also hing sie in Gedanken den Aufregungen der vergangenen Stunden nach, von denen sie sich noch nicht erholt hatte. Wie sollte sie auch? Natürlich wollte sie Alessandro wiedersehen. An ihren Gefühlen für ihn hatte sich nichts geändert. Mit ihrem Zornausbruch hatte sie nur die Dinge ein wenig zurechtrücken wollen. Vielleicht war es ein Fehler gewesen, ihm zu sagen, dass Mathias in ihrem Haus wohnte. Aber sie hatte jetzt keine Lust, Alessandro aufzuklären. Sie würde einfach abwarten.
    »Lilis, magst du ein Kuss?«
    Sie lächelte das Kind an. Der Sohn von Mathias war wirklich sehr hübsch. Er hatte die gleichen himmelblauen Augen wie seine Mutter, schöne rotblonde Locken und das gleiche Lächeln wie Mathias, wenn er guter Laune war. Alix war einfach hingerissen von dem Kind.
    »Soll ich dir eine Geschichte erzählen?«
    »Nein, jetzt nicht. Du musst schlafen, hat die Bertille gesagt.«
    Nicolas ließ die Erwachsenen immer in Ruhe. Mit tausend kleinen Fragen zeigte er ihnen auch immer auf seine freundliche Art, wie sehr er um ihr Wohlergehen besorgt war. Nicolas war eine ganz außergewöhnliche kleine Persönlichkeit; eigentlich kein Wunder, wenn man bedenkt, dass Alix ihn adoptiert hatte. Oh Gott! Sie wollte sich gar nicht erst vorstellen, dass Mathias mit seinem Sohn weggehen könnte.
    Sie verbrachte zwei lange Stunden

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