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Die Tränen der Vila

Die Tränen der Vila

Titel: Die Tränen der Vila Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jaedtke
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dich und iss! Du hast es dir verdient.“
    Wir aßen schweigend, und ich empfand einen gewissen Stolz. Die erste Prüfung hatte ich bestanden. Jahrelang war ich ein Dieb und Helfer von Dieben gewesen, nun jedoch würde ich ein ehrliches Leben führen, und ich hatte dies nicht nur meinem Herrn, sondern auch Gott bewiesen.
    Nach dem Essen brachen wir auf. Hartmann verschwendete keinen Gruß an den Bauern, der im Garten das Gemüse goss und sich ehrfürchtig verneigte. Ich jedoch nickte dem Mann zu und hoffte, dass er die Geste verstand.
    Wir zogen wie am Vortag dahin: Hartmann hoch zu Ross, ich zu Fuß nebenher gehend, immer nach Norden die Landstraße hinauf. Das Wetter war herrlich, die Sonne schien warm, und die Straße war eben und gut gebahnt. Hartmann schien bester Laune, summte wieder sein unmelodisches Lied, hielt jedoch gelegentlich inne, um das Wort an mich zu richten.
    „Es ist nicht mehr weit“, sagte er beispielsweise, oder auch: „Heute Abend bekommst du etwas Gutes zu essen“, und ich war recht verlegen, dass er so großen Anteil an meinem Wohlergehen nahm. Offenbar war er inzwischen hinlänglich überzeugt, einen guten Diener erworben zu haben, und ließ mich seine Zufriedenheit spüren. Tatsächlich hatte außer meinem Vater noch kein Mensch so freundlich zu mir gesprochen. Hätte ich damals schon gewusst, wer er war – wer er in Wirklichkeit war –, ich würde es vermutlich nicht geglaubt haben.
    „Wenn wir in Lüneburg sind“, sagte er, als wir eben ein Dorf passiert hatten und die Straße sich an einen schmalen Flusslauf schmiegte, „werde ich dir etwas zum Anziehen besorgen. Und ein Pferd bekommst du auch.“
    „Ein Pferd?“ Vor Staunen blieb ich fast stehen.
    „Gewiss. Auf dem Feldzug geht es nicht an, dass du neben mir herläufst. Und das Gepäck können wir dann auch aufteilen. Außerdem gehört es sich, dass ein Knappe ein Pferd hat.“
    „Aber ich bin doch nur ein Knecht“, wandte ich ein.
    Hartmann lächelte verschmitzt. „Das braucht ja niemand zu wissen.“
    „Wie meint Ihr das, Herr?“
    „Wie ich es sage. Wenn jemand dich fragt: Dein Name ist Odo von Altendorf.“
    Ich starrte ihn mit offenem Mund an. „Altendorf? Wo liegt das?“
    Hartmann zuckte mit den Achseln. „Keine Ahnung. Bestimmt gibt es Hunderte von Besitzungen mit diesem Namen. Keine Sorge, niemand wird danach fragen. Du bist ein Sohn des Ehemanns meiner Cousine, falls es doch einmal jemand wissen will. Kannst du dir das merken?“
    „Ein Sohn des Ehemanns Eurer Cousine“, wiederholte ich folgsam, doch unbehaglich. „Merken kann ich es mir, aber – verlangt Ihr denn von mir, dass ich lüge?“
    Hartmann lächelte. „Sag mir, Odo, wie hieß das Dorf, in dem du aufgewachsen bist?“
    Ich überlegte. Bisher hatte ich meinem Herrn verschwiegen, dass ich aus der Gegend von Blankenburg stammte. Freilich war es einerlei, denn soweit ich mich erinnern konnte, hatte mein winziges Heimatdorf überhaupt keinen Namen gehabt, nicht einmal „Auf dem Felde“, „Hinter dem Hang“ oder dergleichen.
    „Ich weiß den Namen nicht, Herr“, antwortete ich schließlich.
    „Siehst du“, sagte Hartman gutgelaunt. „Also könnte es doch ein Ort namens Altendorf gewesen sein, oder?“
    Ich schwieg verdutzt. Hartmanns Beweisführung erschien mir alles andere als einleuchtend, und die unbekümmerte Heiterkeit, mit der er sie vorbrachte, reizte mich zum Widerspruch. Gleichzeitig fragte ich mich, welches Interesse er daran haben konnte, mich fälschlicherweise als Edelknecht auszugeben.
    „Es steht geschrieben: Du sollst nicht falsch Zeugnis reden“, wagte ich kühn einzuwenden.
    Hartmann lachte erneut, offenbar nicht im Mindesten gekränkt. „Falls du dir Sorgen um dein Seelenheil machst“, sagte er gutmütig, „dann sei getrost: Ich übernehme die Verantwortung vor Gott.“

Von dem fremden Mädchen – ein drittes Mal
    Weit fort, auf der anderen Seite der Elbe, an einem Ort tief in den Wäldern saß das Mädchen Lana im Garten am Grab der Großmutter.
    Es ist nun das dritte Mal, dass ich von ihr erzähle, und erneut kann ich nur wiedergeben, was ich später erfuhr, ergänzt um manches, das ich mir zusammenreimen musste, so dass mein Bericht weder Anspruch auf Vollständigkeit noch auf wortwörtliche Wahrheit erheben kann. Dennoch bemühe ich mich, die Vorgänge so zu veranschaulichen, dass sie dem tatsächlichen Geschehen möglichst nahekommen. Indem ich dies unternehme, muss ich auch von Dingen berichten, die jeden

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