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Die Tränen der Vila

Die Tränen der Vila

Titel: Die Tränen der Vila Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jaedtke
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so fromm bist, hätte ich nicht erwartet.“
    „Ich habe etwas Wichtiges zu beichten“, beharrte ich. „Bevor Ihr mich getroffen habt, habe ich einige Dinge getan, die … nicht recht waren.“
    Hartmann lächelte. „Warum erzählst du sie nicht mir?“
    „Verzeiht, Herr, doch Ihr könnt mir keine gültige Absolution erteilen.“
    „Das ist wahr.“ Der Ritter seufzte. „Also schön. Geh und tu, was dir richtig erscheint; schließlich will ich deinem Seelenheil keinen Abbruch tun. Komm dann wieder hierher und warte beim Stall auf mich.“
    Ich nickte und erhob mich.
    Die nächtliche Stadt war wie ausgestorben, nur einige Bettler lagerten noch im Straßenstaub. Rasch fand ich die Straße, die sich in mäßig steigendem Winkel rings um den Berg wand, und folgte ihr so lange, bis die Dächer der Stadt weit unter mir lagen. Der Ausblick war atemberaubend: Ich konnte den gesamten Ringwall und die Salzhütten bis hinab zum Fluss überblicken. Frischer Wind strich mir über das Gesicht, und die Höhe meines Aussichtspunkts gab mir das Gefühl, in räumlicher wie spiritueller Hinsicht dem Himmel näher zu sein, wie es dem frommen Zweck meiner Wanderung entsprach. Ich musste an Hartmann denken, der dort unten in jener schmutzigen Herberge bei irgendeinem ehrlosen Weib lag, und unwillkürlich empfand ich einen gewissen Stolz angesichts meiner eigenen Tugendhaftigkeit.
    Mit solch ermutigenden Gedanken beschäftigt, erreichte ich das Felsplateau, auf dessen halbkreisförmiger Fläche sich das Kloster erhob: eine gedrungene steinerne Kirche, mehrere Wohngebäude und ein Gesindehaus für die Knechte. Unschlüssig, auf welche Weise ich mich bemerkbar machen sollte, trat ich auf eines der Gebäude zu, lauschte an der geschlossenen Tür und überwand mich endlich zu klopfen. Dreimal klopfte ich, bis Schritte zu hören waren und ein Knecht in schlichtem grauen Kittel öffnete.
    „Es ist nach Komplet“, sagte er, als ich in ungelenken Worten mein Anliegen vorgebracht hatte. „Die Mönche ruhen bereits.“
    „Ich bitte Euch im Namen Christi“, sagte ich, „ruft einen Priester, der mir die Beichte abnehmen kann.“
    Der junge Mann verzog die Lippen und wandte sich um. „Warte draußen.“
    Er schloss die Tür von innen, und ich wartete, wobei ich unruhig auf und ab ging. Erst nach längerer Zeit öffnete sich die Tür erneut, und ein älterer Mann in der Tracht eines Ordensbruders trat heraus, mit nachlässig gegürteter Kutte und verschlafenem Gesicht.
    „Herr!“, rief ich, stürzte auf ihn zu und senkte demütig den Kopf. „Ich bitte Euch, gewährt mir die Beichte! Schon morgen früh muss ich fortgehen und habe dann vielleicht keine Gelegenheit mehr dazu.“
    Missmutig murmelte der alte Mann eine lateinische Formel und schlug das Kreuzzeichen.
    „Wann hast du zuletzt gebeichtet?“, fragte er ohne großes Interesse.
    „Noch nie, Herr“, sagte ich betreten.
    „Nenn mich Vater!“, versetzte er.
    „Ja, Vater.“
    „Wie alt bist du, Junge?“
    „Achtzehn.“
    „Wie geht es an, dass du noch nie gebeichtet hast?“
    „Ich bin im Krieg aus meinem Heimatdorf vertrieben worden“, sagte ich. „Seitdem war ich auf der Flucht.“
    „Hast du die täglichen Gebete am Morgen, vor dem Essen und am Abend eingehalten?“
    Das hatte ich natürlich nicht getan; tatsächlich hatte ich nur selten gebetet, während ich bei Bertolts Bande lebte.
    „Nein, Vater.“
    „Wie lange?“
    „Etwa sieben Jahre lang.“
    „Hast du die Fastentage eingehalten?“
    „Nein, Vater.“
    Der Priester seufzte. „Deine Buße sei, drei Monate lang weder Wein noch Milch zu trinken, kein Fleisch zu essen, der Messe kniend beizuwohnen und mindestens dreimal täglich zu beten“, beschied er. „Hast du außerdem unkeusche Gedanken gehabt, durch unkeusche Berührungen gesündigt oder in unkeuscher Absicht gewünscht, etwas zu sehen, zu hören oder zu tun?“
    Ich schluckte und dachte unwillkürlich an die Tochter des Sarrockmachers, dann an Hildegard. Doch war nicht die Teilnahme an Bertolts Raubtaten weitaus schwerwiegender?
    „Ja, Vater“, sagte ich schließlich, „aber das erscheint mir weit weniger wichtig als etwas anderes, das ich Euch unbedingt –“
    „Du irrst dich“, unterbrach mich der Priester. „In den Augen Gottes sind die Sünden der Unkeuschheit ebenso groß – wenn nicht größer – als alle anderen. Ich frage dich erneut: Hast du unkeusche Gedanken gehabt?“
    „Gelegentlich, Vater“, antwortete ich unmutig, da er mich

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