Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tränen der Vila

Die Tränen der Vila

Titel: Die Tränen der Vila Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jaedtke
Vom Netzwerk:
Gewand in den Händen und begleitet von einem jungen Mädchen, das bei unserem Anblick ehrerbietig den Kopf senkte.
    „Es ist eigentlich für einen anderen Auftraggeber bestimmt“, sagte der Mann, entfaltete das Gewand und hielt es mir an die Schultern, um die Länge zu prüfen. „Doch wenn Ihr drei Pfennige zusätzlich zahlt, könnte ich es Euch überlassen.“
    Hartmann nickte. „Einverstanden.“
    „Die Säume müssen noch vernäht werden“, sagte der Sarrockmacher. „Doch das kann meine Tochter heute Nacht erledigen. Morgen bei Sonnenaufgang könnt Ihr es abholen.“
    „So sei es“, sagte Hartmann, zählte die Geldstücke ab und legte noch eines mehr dazu, als der Mann verlangt hatte. „Schneide mir dafür noch eine Bundhaube aus Leder.“
    „Ja, Herr.“
    „Hast du auch Schuhe?“
    „Gewiss, Herr.“
    Hartmann prüfte die Fußbekleidung, die der Handwerker aus dem Nebenraum herbeibrachte – gute Schuhe aus Ziegenleder –, und ich durfte sogleich meine abgetragenen Filzschuhe gegen sie tauschen. Der Ritter schien zufrieden und wandte sich zum Gehen. Ich nickte dem Sarrockmacher dankend zu und fing dabei einen Blick seiner Tochter auf, die noch immer an der Tür zum Nebenraum stand. Sie war ein hübsches Mädchen, wenige Jahre jünger als ich, mit großen blauen Augen und weizenfarbenem Haar unter der Haube.
    „Sie hat dir gefallen, nicht wahr?“, fragte Hartmann vertraulich, als wir wieder auf der Straße standen.
    Ich zuckte verlegen mit den Achseln.
    Hartmann lachte und klopfte mir auf die Schulter. „Komm, nun gehen wir noch zum Schmied. Du brauchst eine Waffe.“
    Den Waffenschmied, der trotz vorgerückter Stunde noch in seiner Werkstatt stand, fanden wir gleich nebenan. Bei ihm erstand Hartmann einen Dolch samt lederner Scheide, der billig und freilich nicht sehr kunstvoll gearbeitet war. Es war ein seltsames Gefühl für mich, wieder einen Dolch am Gürtel zu tragen, denn das hatte ich zuletzt getan, als ich noch ein Räuber gewesen war.
    „Jetzt brauche ich dringend etwas zu trinken“, entschied Hartmann, als wir die Schmiede verlassen hatten und feststellten, dass die Sonne bereits unterging.
    Und so war der nächste Ort, den wir aufsuchten, eine Schenke. Sie war gut besucht. Die meisten Gäste waren bereits betrunken, so dass es laut und ausgelassen zuging. Als Hartmann und ich hereinkamen, wurden die Städter zunächst still und mäßigten ihre Laune, denn die Anwesenheit eines Edlen mit gegürtetem Schwert war sichtlich nicht alltäglich. Hartmann warf dem Wirt ein Geldstück zu, orderte Wasser für sein Pferd und Wein für uns. Als wir uns an einen der niedrigen Holztische setzten, schienen die übrigen Gäste sich zu entspannen.
    Der Wein kam, und einige Zeit tranken wir schweigend. Im Stillen wunderte ich mich erneut über die Vertraulichkeit meines Dienstherrn: Ein Knecht wäre üblicherweise zur Bewachung des Pferdes draußen geblieben und hätte nicht mit ihm am selben Tisch gesessen.
    „Herr“, begann ich zögerlich, „wird Euer Silber denn reichen, um auch noch ein Pferd zu kaufen? Es würde mir nichts ausmachen, weiterhin zu Fuß zu gehen.“
    „Nein, ein Knappe braucht ein Pferd“, antwortete Hartmann entschieden. „Ich werde natürlich kein wirklich gutes kaufen können, aber sicher finden wir einen Bauern, der uns ein Zugpferd überlässt. Das wird genügen.“
    „Ihr gebt dennoch viel Geld für mich aus“, stellte ich fest.
    „Ich habe genug“, sagte Hartmann leichthin und nahm einen langen Zug aus seinem Weinkrug. Dann erst bemerkte er meinen erstaunten Blick. „Du bist wahrhaftig ein kluger Junge“, sagte er anerkennend. „Vermute ich richtig, dass du dich fragst, woher ich das Geld habe?“
    Ich nickte betreten, weil mir die Frage offenbar so deutlich ins Gesicht geschrieben stand.
    „Weißt du“, begann er, „es gibt viele Ritter ohne Land – und es gibt Herren, die Land besitzen, aber zu wenig Ritter haben, um es zu verteidigen oder zu vergrößern. Einige dieser Herren werben fahrende Ritter an, wollen ihnen aber kein Land dafür geben, weil sie ihre Dienste nur vorübergehend benötigen. Also –“
    „– geben sie stattdessen Geld?“, erriet ich entgeistert. „Sie bezahlen Männer fürs Kämpfen?“
    Hartmann nickte. „Warum nicht? Es ist vielleicht nicht sehr ehrenhaft, doch in einigen Gegenden des Reiches wird es zunehmend üblich.“ Er seufzte. „Ich hätte auch lieber ein Stück Land als Belohnung, aber solange ich keins bekommen

Weitere Kostenlose Bücher