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Die Tränen der Vila

Die Tränen der Vila

Titel: Die Tränen der Vila Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jaedtke
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zu ihnen auf.
    „Adolf?“, rief Herzog Heinrich und sah sich suchend zum.
    Der junge Graf trabte nach vorn. „Eure herzogliche Hoheit?“
    „Ihr kennt dieses Land besser als jeder andere. Sagt mir Eure Meinung: Sollen wir durch den Wald ziehen oder einen anderen Weg nehmen?“
    „Ich bin noch niemals hier gewesen“, schränkte Graf Adolf vorsichtig ein. „Doch ich weiß, dass die meisten Wege in diesem Land kaum breit genug sind für einen Ochsenkarren. Wenn wir durch den Wald ziehen, werden wir einer hinter dem anderen reiten müssen, und die Fuhrwerke werden ihre Not haben.“
    Der Herzog nickte und blickte zuerst nach Süden, dann nach Norden am Waldrand entlang.
    „In welcher Richtung sollten wir den Wald umgehen?“
    „Ich würde sagen, im Norden“, vermutete der Graf. „Nach Süden hin werden die Wälder dichter, im Norden dagegen liegt das Marschland der Ostseeküste. Ich nehme an, dass wir in dieser Richtung schneller zu einem Durchlass gelangen.“
    Herzog Heinrich warf einen Blick zum westlichen Himmel, wo die Sonne bereits tief stand.
    „Also gut“, sagte er. „Dann werden wir an Ort und Stelle lagern und einen Spähtrupp aussenden, denn ich will nicht das ganze Heer in die Irre leiten.“
    „Wenn Ihr erlaubt: Ich könnte den Spähtrupp führen“, erbot sich Graf Adolf.
    Der Herzog lächelte. „Ich wollte Euch eben darum bitten. Nehmt zwanzig Männer mit und seid vorsichtig!“
    „Ich werde meine Holsteiner mitnehmen“, sagte Graf Adolf und wies auf eine Truppe grimmig aussehender Ritter, die vortrabten und eine Reihe bildeten.
    In diesem Moment bemerkte ich, dass Hartmann mir zuzwinkerte. Unvermittelt zog er die Zügel an und lenkte sein Pferd nach vorn.
    „Herzogliche Hoheit!“, rief er. „Wollt Ihr mir die Erlaubnis geben, mich gleichfalls den Kundschaftern anzuschließen?“
    Das Herz sprang mir in die Kehle. Ich war gewiss nicht feige, doch beim Gedanken daran, mitten im Feindesland mit nur zwanzig Männern unbekannte Wege zu erkunden, packte mich die Angst.
    Herzog Heinrich zog eine Augenbraue hoch und musterte meinen Herrn. „Wer seid Ihr, Ritter?“
    „Hartmann von Aslingen, Hoheit. Bei Eurem Kriegsrat auf der Ertheneburg hattet Ihr die Güte, mich an der Beratung teilhaben zu lassen.“
    Der Herzog schien einen Moment angestrengt nachzudenken. Endlich hellte sich sein Gesicht auf.
    „Ah, der fränkische Ritter, ich erinnere mich. Nun, wenn Ihr Euch anschließen möchtet …“ Und er wies mit einer einladenden Geste auf die Reitertruppe. Hartmann neigte dankend den Kopf, lenkte sein Pferd zu den wartenden Männern und bedeutete mir, ihm zu folgen.
    „Ihr werdet sofort aufbrechen“, bestimmte Herzog Heinrich, an den Grafen gewandt. „Kommt zurück, sobald ihr einen Weg gefunden habt. Wenn ihr keinen findet, dann kehrt um, sobald die Sonne untergegangen ist.“
    Graf Adolf nickte und wendete sein Pferd.
    Die Truppe setzte sich in Bewegung, und Hartmann und ich folgten als Nachhut. Sobald ich sicher war, dass niemand uns hören konnte, schloss ich zu meinem Herrn auf und sprach ihn mit gedämpfter Stimme an.
    „Warum habt Ihr das getan, Herr?“
    Hartmann lächelte zufrieden. „Das ist eine Gelegenheit, mich ein wenig hervorzutun. Glaubst du, der Herzog vergibt Lehen an Ritter, deren Namen und Gesicht er kaum kennt? Man muss sich eben von Zeit zu Zeit in Erinnerung rufen.“
    Ich starrte ihn ungläubig von der Seite an.
    „Komm schon“, sagte er schließlich, „du brauchst keine Angst zu haben. Wir werden am Waldrand entlangreiten, ein wenig Ausschau halten und bei Einbruch der Dunkelheit zurückkehren. Diese Holsteiner sind kampferprobte Recken; in ihrer Gesellschaft werden wir sicherer sein als nachts im Lager. Trotzdem solltest du mir den Schild geben.“
    Schweigend reichte ich ihm den schweren Eichenschild.
    „Außerdem ist dies eine Gelegenheit, den Grafen besser kennenzulernen“, fügte er hinzu. „Er scheint ein vernünftiger Mann zu sein, ist höflich, gebildet und steht dem Herzog sehr nahe. Es könnte sich lohnen, seine Gunst zu gewinnen. Komm, lass uns nach vorn reiten!“
    Während die holsteinischen Ritter ihre Pferde in mäßigem Tempo am Waldrang entlanglenkten, setzte Hartmann sich in Trab und überholte sie, bis er direkt neben dem Grafen ritt. Ich folgte ihm unbehaglich.
    „Verzeiht, Herr“, sprach Hartmann den Grafen an, „doch wie ich vorhin bei der Verbrennung der Bäume hörte, wisst Ihr recht viel über die Wenden. Sind die Bäume ihre

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