Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Traenen Des Drachen

Titel: Die Traenen Des Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
Vom Netzwerk:
in den Sommer hinein wartet? Das ist aber nicht so, und jetzt werde ich dir etwas verraten, das nur die Häuptlinge der Waldgeister wissen, ein fürchterliches Geheimnis, das von Häuptling zu Häuptling weitergegeben wird.«
    Volom-Kar vergaß seinen Topf und schob sich seinen Hut in den Nacken.
    »Ohh, es ist schrecklich!«, klagte Gamle. »Wenn ich den Frühling nicht herbeirufe, bevor der vierte Wintermond vergeht, ist es zu spät! Dann wendet uns der Frühling den Rücken zu und geht seinen Weg, und ich sage es dir, wie es ist: Wenn der Frühling sich erst einmal abgewendet hat, kommt er nie – nie mehr zurück! Der ewig währende Winter wird dann die Macht übernehmen!«
    Gamle legte sich wieder hin, wobei er so herzzerreißend wie nur möglich jammerte, und Volom-Kar blieb sitzen und dachte über das Schreckliche nach, das der Häuptling soeben erzählt hatte. Der ewige Winter… Also war die Geschichte vom Ende der Welt, von Wintertier, Eisschwert und ewigem Frost, mehr als nur ein Lied für warme Sommerabende. Er schob die Decke vor der Tür ein Stückchen zur Seite. Die Schneewand erhob sich unmittelbar vor der Wand der Hütte, und die Treppenstufen, die er am Morgen gegraben hatten, waren bereits wieder verschwunden.
    Volom-Kar zog seinen Mondstab aus seinem Wams. Er hatte ihn an einer Schnur um seinen Hals befestigt. Vier Mondmarkierungen für vier Vollmonde… Er strich mit dem Daumen über die Kreise. Für jeden Tag ritzte er eine neue Kerbe ein, und inzwischen hatten die Kerben bereits den zweiten Mond passiert.

Sklavenhändler
     
    M an sagt, dass die Schiffe auf dem Meer im Osten schneller segeln können, als Vögel fliegen, doch dass alle, die den Weg der Wellen nehmen wollen, jede Kurve und jede Vertiefung kennen müssen. Ja, in Kels müssen die Seeleute fünf Jahre lang auf dem Meer gewesen sein, ehe sie selbst den Platz am Ruder einnehmen dürfen. Denn das Meer ist voller Launen. Es kann mit plötzlichen Wellen oder wild gewordenen Walfischen Schiffe versenken, und aus dem Süden können Mörderaale heranschwimmen. Oft führte es Menschen einfach mit seiner Strömung fort und schob die Rümpfe ihrer Schiffe mit seinen Wasserhänden an unbekannte Orte. Deshalb müssen es die Seeleute lernen, die Schrift der Wellen zu deuten und die richtigen Opfer darzubringen, ehe sie ablegen.
    Karain hatte weder ein Opfer dargebracht, noch konnte er die Zeichen der Wellen lesen. Er hatte genug damit zu tun, das Boot durch die Dünung zu steuern. Es hatte die ganze Nacht geschneit, doch jetzt, da das Tageslicht durch die Wolkendecke drang, mischte sich Regen in den Schnee. Schneematsch lag eine Handbreit hoch auf dem ganzen Boot, und die Waldgeister waren eifrig damit beschäftigt, ihn hinauszulenzen. Karain hatte unter der Bank ein Segeltuch gefunden, das er um sich geschlungen hatte, um nicht nass zu werden. Das Boot schwappte auf den Wellen auf und ab wie eine Möwe, die gelandet war und nicht mehr weiterzufliegen vermochte. Jedes Mal, wenn sie auf einem Wellenkamm waren, hielt Karain im Westen nach Land Ausschau, was aber bei dem Schneeregen kaum möglich war.
    »Ich hoffe, es ist nicht mehr weit.« Bul hielt sich breitbeinig am Mast fest, während ihm das nasse Segel ins Gesicht schlug. »Mein Bauch fühlt sich so merkwürdig an, als hätte ich zu viele Pilze gegessen.«
    »Beklag dich nicht!«, sagte Loke und schleuderte den nächsten Schneeball aufs Meer hinaus. »Schau dir Vile an!«
    Vile hatte es nicht einmal geschafft, aus dem Ankerkasten zu krabbeln. Seine Füße ragten aus dem Verschlag, und sein vereister Hut hing ihm auf der Nase, während ihm der nasse Schnee über seine nackten Zehen rann.
    »Leg dich wieder hin.« Bile taumelte auf unsicheren Beinen zu ihm hin und befühlte seine Füße. »Du bist ja eiskalt!«
    Er schob seinen Bruder zurück in den Ankerkasten und wollte die Luke schließen, doch Vile trat sie wieder auf.
    »Nein! Ich kriege hier drin keine Luft! Ich friere und bin krank, und das ist überhaupt kein Großer Plan! Das ist gar kein Schöner Plan! Ein Scheußlicher Plan!«
    Viles hohe Stimme plapperte weiter, während sich Bile zu Loke umdrehte und den Kopf schüttelte.
    »Ich höre nicht auf ihn!«, sagte Loke, und Karain bemerkte, dass er beleidigt war. Er hatte die Waldgeister inzwischen gut kennen gelernt und wusste, dass Loke empfindlich war, was Dinge anging, die er selbst bestimmt hatte, wie diese Reise mit dem Boot. Er hatte auch bemerkt, dass der alte Waldgeist Bul für

Weitere Kostenlose Bücher