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Die Traenen Des Drachen

Titel: Die Traenen Des Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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Wellen beschleunigte. Die Waldgeister purzelten am Boden des Schiffes umher, und Vile, der nur eine Decke um den Körper geschlungen hatte, packte seinen steifgefrorenen Bart, um sich darin zu raufen.
    Loke kroch nach hinten unter die Bänke und kniete sich hin, wobei er sich am Dollbord festklammerte.
    »Was für ein wildes Boottier!«, schnaubte er und schaute zu Karain auf. »Ich hoffe, du weißt es zu zähmen.«
    Karain nickte, doch gerade in diesem Moment war er sich seiner Sache nicht so sicher. Denn jetzt segelten sie durch die Öffnung der Mole hinaus aufs offene Meer, wo die Wellen noch höher waren. Loke packte seinen Hut, als eine besonders hohe Welle am Bug emporspritzte, und stürzte wieder zu Boden.
    »Wir suchen Schutz!« Er krabbelte zurück unter die Bank und dann ganz nach vorn zum Bug bis hinein in den Ankerkasten. Dort hatten sich seine Schüler bereits zusammengekauert. Loke schob sich zwischen sie, zog seine Beine an, rief: »Sag Bescheid, wenn wir da sind!«, und warf die Klappe des Ankervorbaus zu.
     
    Obgleich der Wind nicht so stark blies, war es schwer genug, das Boot zwischen den Wellen hindurchzusteuern. Karain hatte das Ruder zwischen seinem Körper und dem Oberarm eingeklemmt und hielt eine Schot in jeder Hand. Als das Boot an Krugs steinernem Kopf am äußersten Ende der Mole vorbeiglitt, schienen ihm die gemalten Augen richtig lebendig zu werden – er hatte den Eindruck, sie öffneten sich in ihrer Steinhülle und sähen ihn an. Das Licht der Kohlelampen warf einen Schatten auf den herausgemeißelten Mund, der genau in diesem Moment etwas zu sagen schien. Wünschte ihm der Steinkopf Glück oder flüsterte er ihm einen Fluch zu? War das Krugants Abschiedsgruß?
    Karain blieb nicht viel Zeit, darüber nachzusinnen. Vor dem Bug türmte sich die weiße Gischt über den Schären, zwischen denen die gebrochenen Masten wie braune Zahnstocher emporragten. Er wickelte sich die Steuerbordschot um seinen Unterarm und lehnte sich zurück. Der Baum schwang herum und zog das Boot mit. Eine Welle hob den Bootsrumpf an, und das war genau das, was sich Karain erhofft hatte, denn der Wind straffte das Segel und hätte ihm fast die Schoten aus den Händen gerissen. Er wickelte sie um die Befestigungshaken, ergriff das Ruder und korrigierte nach jeder Windböe die Fahrtrichtung.
    Karain ließ das Boot mit der Strömung weit nach Osten treiben, wobei ihm der kräftige Südwestwind zusätzlich Fahrt gab. Dieser Wind war typisch für Krugant; sie nannten ihn Waldwind, denn er schien irgendwo aus dem Westwald zu kommen. Es war eine gute Hilfe für jeden, der nach Süden wollte, und jetzt segelte Karain das Boot so, wie er es bei den Seeleuten gesehen hatte. Er segelte vor dem Wind über die Wellenkämme, bis die Stadt in seinem Rücken nur mehr ein gelber Steinhaufen war. Erst dann zog er die Backbordschot an und schlug einen südlichen Kurs ein. Wenn das Segel so stand, brachte der Wind die Schiffe in die Häfen im Südmeer, von denen die Händler immer gesprochen hatten.
    Karain saß nachdenklich da, während die Wellen das Boot hoben und senkten. Er war allein, und obgleich er wusste, dass er Krugant und seine Eltern nie wiedersehen würde, war seine Stimmung so gut wie schon lange nicht mehr. Er hielt ein Ruder in der Hand, trug ein Schwert unter dem Gürtel und hatte ein Boot, das ihn brachte, wo immer er hinwollte. All die Geschichten, die er über die Länder im Süden gehört hatte… Jetzt war er es, Karain, der sie entdecken sollte. Er war der König der Meere, ein Seeräuber oder ein Händler. Er konnte sein, was er wollte, und seine Zukunft gehörte ihm. Um ihn herum tanzten die Wellen, und jedes Mal, wenn das Boot von einem Wellenkamm nach unten schoss, spürte er die Gischt im Gesicht und schmeckte das Salzwasser auf der Zunge. Davon hatte er immer geträumt, wenn er sah, wie die Seeleute aufs Meer hinaussegelten. Karain legte den Kopf in den Nacken und sah zu den Sternen hinauf, zu Wassermann, Jäger und Krims weißem Pferd, doch da bemerkte er, dass der Himmel alles andere als sternenklar war. Im Süden türmten sich Wolken auf, die schnell näher kamen, sehr schnell. Er lehnte sich auf die Steuerbordseite hinaus und schaute am Segel vorbei. Dort hinten im Süden war das Wasser grau gefleckt von Schnee.
    Es dauerte nicht lang, bis das Unwetter das Boot erreichte. Karain zog sich seinen Hut tief in die Stirn und machte sich ganz klein. »Hört doch!«, kam es aus dem Ankerkasten. »Es

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