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Die Traenen Des Drachen

Titel: Die Traenen Des Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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seinen besten Schüler hielt und dieser das wusste. Als Loke Bile und Vile zum wiederholten Mal aufgefordert hatte, endlich mitzuhelfen, den Schnee aus dem Boot zu schmeißen, hatte Bul seine Finger unter den Gürtel seines Wamses geschoben und sie mit dem gleichen strengen Blick betrachtet wie der Trolljäger, bevor er seine Augen auf die Wellen gerichtet hatte. Karain wusste, dass Bile und Vile Bul für zu ernst und düster hielten und deshalb versuchten, die Stimmung mit Lächeln und lustigen Bemerkungen aufzuhellen.
    »Das ist ja wie ein Kolk im Wald«, sagte Bile und fiel um, als das Boot über den Kamm einer Welle nach unten kippte. Er bürstete sich den Schnee von den Ärmeln und richtete sich auf. »Nur ein bisschen größer!«
    »So ist es richtig«, lächelte Loke und zog seinen Bart hoch, der über den Bootsrumpf scheuerte. »Verliert nicht den Mut! Denn mit Mut kann ein Waldgeist alle Prüfungen überstehen, wie unmöglich sie auch erscheinen mögen.«
    Und mit diesen Worten schaute er zu Karain auf, der warm und trocken unter seinem Segeltuch hockte und mit einem Mal begriff, dass diese Fahrt nicht bloß eine Reise in unbekannte, spannende Länder war, sondern dass allerlei Gefahren auf sie warten würden. Was, wenn sie in einen Walschwarm hineinsegelten? Davon sollte es hier viele geben. Was, wenn sich auf den Ebenen im Osten ein Orkan zusammenbraute oder sie von einem Wirbelstrom im Kreis geführt wurden und nie wieder hinauskamen? Karain warf einen Blick über seine Schulter, als sie den nächsten Wellenkamm erreichten. Es war weit und breit kein Land in Sicht. Und bei diesem Wetter konnte er nicht damit rechnen, den Nordstern zu finden, wenn es dunkel wurde.
     
    Den ganzen Tag über steuerte er nach dem Wind, während die Waldgeister Schnee und Wasser aus dem Boot hinausbeförderten. Bul, Loke und Bile wechselten sich ab, und wenn sie nicht arbeiteten, standen sie am Dollbord und starrten aufs Meer hinaus. Karain hatte sich an ihre zitternden Gesichter bald gewöhnt, ebenso wie an das seekranke Gejammer aus dem Ankerkasten, das immer dann ertönte, wenn sie von einem Wellenkamm nach unten schossen. Gegen Abend wurde es schlimmer, denn aus dem Regen wurde wieder Schnee, und das Wasser in ihren Kleidern gefror zu Eis. Loke teilte an alle, außer Vile, der sich noch immer weigerte, den Ankerkasten zu verlassen, ein bisschen gefrorenen Pilzbrei aus. Karain hörte auf Loke und ließ die Pilzstückchen in seinem Mund auftauen, bevor er sie herunterschluckte. Der Schnee kam jetzt direkt von Osten, und der Wind nahm an Stärke zu. Loke sah ihn mit tief gefurchter Stirn und vereistem Bart an, und obgleich er nichts sagte, wusste Karain nur zu gut, was er dachte. Er war es, auf den der Trolljäger jetzt seine Hoffnungen setzte.
     
    Ja, Freunde, ich spüre noch immer, wie die Kälte meine Beine packte, wenn ich an diese Nacht denke. Ich höre Visminen, das Wintertier, im Sturm heulen und spüre, wie die Ruderpinne gegen meine steif gefrorenen Krallen schlägt. Ich sehe Loke vor mir, Bile und Bul, wie sie sich wie regungslose Stützen an Mast und Dollbord klammern, und weiß noch, wie erstaunt ich war, dass sie nicht zu Eis gefroren waren, als das Tageslicht endlich durch das Schneetreiben fiel. Und ich weiß, wie müde ich war und wie weh mir der Arm tat, mit dem ich das Ruder hielt. Denn der Wind hatte während der ganzen Nacht zugenommen, und jetzt stürmte es wirklich. Die Wellen waren so hoch, dass man darin wohl zwei Hütten dieser Größe verbergen hätte können, und Karain wusste, dass der Wind, wenn er noch weiter zunahm, die Spitzen der Wellen zerreißen und über das Boot schleudern würde. Ihr habt sicher schon einmal eure Väter über solch starke Stürme erzählen hören. Auch wenn sie keine so guten Seefahrer sind wie die Kelsmänner, so weiß ich doch, dass einige von ihnen zur Küste geritten und mit ihren Waren nach Kels gesegelt sind. Auch sie kennen das Meer durch die Geschichten, die sie darüber gehört haben, und bestimmt haben sie euch gesagt, dass jeder gute Seemann die Segel einholt, wenn der Bruder der Sonne seine Fäuste ballt.
    Und genau das versuchte Karain jetzt zu tun. Er hatte Bul und Bile aufgefordert, das Ruder zu halten, während er selbst zum Mast kroch und die Schot löste, die den Baum unten hielt. Aber, ich habe euch bereits erzählt, dass Karain kein erfahrener Seemann war, und so löste er das Tau genau in dem Moment, in dem das Boot über eine Welle fuhr und der Wind

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