Die Traenen Des Drachen
am stärksten blies. Kaum hatte sich die Schot vom Haken gelöst, packte der Wind das Segel und straffte es. Das Seil glitt aus seinen Krallenfingern, und der Querbaum schoss bis ganz an die Spitze des Masts. Das Boot legte sich auf die Seite, und Wasser schwappte über das Dollbord ins Boot hinein. Karain war sich sicher, dass sie kentern würden, doch in diesem Moment brach der Mast. Segel und Baum klatschten ins Wasser und blieben von den Stagen gehalten hängen.
Karain lag am Boden des Bootes und klammerte sich an den Maststumpf. Die Waldgeister platschten um seine Füße herum.
»Was ist passiert?«, kam es aus der Ankerkiste. »Bitte das Boottier um ein bisschen mehr Ruhe!«
Doch Karain hörte nicht auf Vile. Das Boot dümpelte tief im Wasser, und eine einzige überschlagende Welle konnte es zum Sinken bringen.
»Lenzt das Wasser raus!«, brüllte er und nahm Buls Hut, das einzig Brauchbare, was er zwischen Säcken, Tauen und herumplantschenden Waldgeistern finden konnte.
Er begann, Wasser über das Dollbord zu schippen, während der Bootsrumpf in den Wellen hin und her schwappte. Das Segel schleppte den gebrochenen Mast mit, und das Meer wurde immer wilder.
»Das Wasser muss raus!« Jetzt kam ihm Loke zu Hilfe. Er nahm seinen Hut ab und lenzte so gut es seine kurzen Arme nur vermochten. Bile tat es ihm gleich, und Bul benutzte seine Hände, auch wenn das nicht sonderlich viel half.
Bald hatten sie einen Großteil des Wassers hinausbefördert.
»Was machen wir jetzt?« Loke schrie durch den Wind und klappte seinen Bart vor das Gesicht.
»Ihr müsst Schutz suchen!« Karain klemmte seine Füße unter die Ruderbank, während das Boot erneut von einem Wellenkamm nach unten schoss. »In den Ankerkasten!«
Loke ließ keine Zweifel offen.
»Bile! Bul! Rein mit euch! Vile muss jetzt ein bisschen Gesellschaft verkraften!«
Bul und Bile taumelten zur Luke und verschwanden wie Ratten in ihren Löchern. Loke ließ das Dollbord los und rutschte zu Karain hinüber. Er bekam seinen Rucksack zu fassen und zog den Weinschlauch heraus.
»Das Segeltuch!« Er wedelte mit der Hand in Richtung des tropfenden Bündels unter der Ruderbank. »Wir müssen unter das Segeltuch!«
Karain schob sich nach hinten, packte das Tuch und krabbelte zurück zum Maststumpf. Er legte sich das Segeltuch um und machte Platz für Loke. Dann spürte er die hölzerne Spitze des Weinschlauchs zwischen seinen Lippen und das Brennen des Weins im Hals.
»Trink wie ein Waldgeist«, sagte Loke. »Das ist Wasser, in dem Wärme steckt. Ich werde selbst einen Schluck gegen die Kälte nehmen. Und dann müssen wir abwarten, wohin uns das Boottier bringt.«
Karain fühlte sich plötzlich warm und trocken. Er rollte sich auf die Seite, schloss die Augen und ließ Sturm Sturm sein. Hinter seinem Rücken hörte er Loke rülpsen und das Gebräu preisen. Der Sturm ebbte ab, und er schlief ein und träumte, ein Fonor in glänzender Rüstung zu sein, der auf einem Seepferd über die Wellen ritt.
Von der weiteren Reise wusste Karain nicht mehr viel. Er wachte ab und an auf, aß ein wenig von Lokes getrockneten Früchten und bekam Wein und kalten Beerensaft, doch er wagte es nicht, unter seinem Segeltuch hervorzukriechen. Der Wind und die Wellen warfen das Boot wie eine Nussschale in einem Bach hin und her. Sie jagten es empor, um es gleich darauf wieder fallen zu lassen. Es war ein einziger, ewiger Tanz. Karain wusste nicht, wie lange sie so trieben, ob es Tage waren oder ein ganzes Jahr, doch schließlich erwachte er und spürte, dass das Boot vollkommen still lag.
Karain schob das Segeltuch zur Seite. Das Licht brannte in seinen Augen. Er blinzelte in den klaren Himmel und bemerkte, dass Loke nicht mehr neben ihm lag. Dann rappelte er sich auf und stützte seine Hände auf die mittlere Sitzbank. Die Sonne wärmte seinen Nacken. Er hob den Kopf. Das Boot war auf einen Sandstrand gespült worden, der mit einer dünnen Schicht Schnee bedeckt war. Achtern drang das Wasser ein und brachte den Geruch von Salz und Tang mit. Er strampelte das Segeltuch weg. Der Bug deutete auf eine lang gestreckte grasbewachsene Anhöhe nur einen Steinwurf vom Strand entfernt. Die Anhöhe erstreckte sich strandauf und strandab so weit sein Blick reichte. Er kletterte aus dem Boot und trat mit unsicheren Beinen in den Sand. Es war hier wärmer als in Krugant. War er vielleicht in das Land der Sieben Reiche gekommen?
Erst in diesem Moment kamen sie ihm in den Sinn. Die
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