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Die Traenen Des Drachen

Titel: Die Traenen Des Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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sagte er. »Ich habe von Hässlingen wie dir gehört. Deine Rasse ist nicht so festgelegt wie die Erdriesen oder wir. Ihr könnt so vieles in euch haben. Deshalb habe ich immer, wenn ich mit den anderen Trolljägern gesprochen habe, gesagt: Die Zeit der Erdriesen gehört der Vergangenheit an. Die Waldteufel waren nie zahlreich genug. Das Volk der Großen wird die Welt regieren, wenn sich die Zeiten ändern.«
    Karain blickte zu Boden. Seine Worte waren wahr. Eine Gewissheit über die kommenden Zeiten. Konnte der Trolljäger auch wissen, was mit ihm geschah? Konnte er das erklären? Karain schloss die Augen und wendete sich ab. Er kratzte mit seinen Krallen über das hölzerne Gestell des Wagens; sie waren spitz und dick wie Rabenkrallen. Jetzt war er wirklich der Dämon, für den sie ihn gehalten hatten.
    »Bist du der Vogelmann?«
    Karain zuckte zusammen. Das Mädchen saß vor ihm im Wagen. Er hatte sie vollkommen vergessen, doch jetzt hockte sie in ihrem zerlumpten Lodenumhang da und schaute ihn durch ihre verfilzten Haare an.
    »Als unsere Hände zusammengebunden waren, habe ich gespürt, wie aus deinen Fingern die Federn gewachsen sind.«
    Sie rollte sich auf die Seite und kroch wie eine Katze vor. Dann sprang sie vom Wagen herunter. Karain trat einen Schritt zurück.
    »Wir haben auf den Nächsten gewartet.«
    »Auf wen?«, fragte Karain verwundert. Er mochte die Art nicht, mit der sie sich ihm näherte, und verstand nicht, wovon sie sprach.
    »Na, den Vogelmann!« Sie reckte den Hals und ahmte den Schrei eines Vogels nach. Karain sah, wie sich ihre Brüste unter ihrem Umhang abzeichneten, und blickte weg.
    »Du hast mich mit deiner Verwandlung gerettet, weißt du!«
    Er spürte, wie seine Nackenmuskeln zuckten. Konnte sie ihn nicht in Ruhe lassen?
    Die Waldgeister hatten einen Steinwurf entfernt einen Ast im Schnee entdeckt und sprangen darauf herum, um ihn zu untersuchen. Loke winkte ihm zu, und Karain lächelte zurück. Ja, sie brauchten alles Brennbare, das sie hier draußen finden konnten. Er bemerkte, dass sich die Nacht langsam herabsenkte. Die Farbe des Himmels war von Grau in Schwarz übergegangen, und jetzt spürte er auch die Kälte, die langsam über den Boden zu ihnen kroch.
    »Wie alt bist du?«
    Das Mädchen hatte sich jetzt an seine Seite geschoben. Sie zupfte an seiner Jacke und spielte mit ihrem Zeigefinger an der Naht auf seiner Schulter.
    Karain versuchte, seine Stirn zu runzeln; er hatte gelernt, das zu tun, wenn jemand dumm fragte, doch dann wurde ihm klar, dass sein Gesicht dank all der Federn vollkommen ausdruckslos für sie sein musste.
    »Eineinhalb Jahrzehnte«, log er.
    Sie kratzte sich in den Haaren und verschränkte die Arme vor der Brust.
    Karain sah, dass unter ihrem Scheitel angetrocknetes Blut klebte.
    »Warum haben sie dich gefangen genommen?«, rutschte es ihm heraus. Er wusste nicht warum, denn eigentlich wollte er das gar nicht wissen. Auch wenn er jung genug war, um sich älter zu machen, war er doch nicht mehr so jung, um nichts darüber zu wissen. Er wollte nicht hören, was die Kretter mit ihr gemacht hatten.
    »Ich bin ins Meer gefallen.« Sie legte ihre Hand auf das Wagengestell und lächelte wieder.
    Was gab es da zu lächeln?, fragte sich Karain, während er ihre schmale Hand anstarrte. Ihre Finger umklammerten den runden Holm, und er bemerkte, wie sicher ihr Griff war, wie gut die Haut das Material umschloss. Sie war ein Mensch, sie war so, wie Menschen zu sein hatten. Sie war ein Mädchen. Noch nie zuvor hatte er mit Mädchen gesprochen.
    »Ich war mit Vater und einigen anderen auf See. Beim Hai-Fischen. Das letzte Mal, ehe die Winterstürme begannen.« Sie trat mit ihrem nackten Fuß in den Schnee und legte wieder die Arme um sich.
    »Aber die Stürme kamen in diesem Jahr früh. Vor ein paar Tagen überraschte uns das Unwetter. Ich wurde über Bord gespült, als ich mich mit Vater an den Mast binden wollte. Unmittelbar hier vor der Küste. Ich überlebte und wurde mit der Strömung in den Hafen der Kretter gespült.«
    Karain schaute von ihrer Hand auf und sah ihr ins Gesicht, wo Mund und Augen um seine Aufmerksamkeit konkurrierten. Sie schüttelte den Kopf und spuckte in den Schnee.
    »Wenn ich das gewusst hätte, wäre ich lieber ertrunken. Diese Kretterschweine! Aber sie haben mich nicht angefasst. Sie glaubten, ich sei eine Opfergabe von Vener, dem zwölften Tarkin, ihrem Sturmgott.«
    Karain meinte, etwas sagen zu müssen, nachdem sie so viel erzählt hatte.

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