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Die Traenen Des Drachen

Titel: Die Traenen Des Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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er. »Ich weiß nicht, wie lange ich schon zwischen den Bäumen hindurchwandere. Es ist viele Menschenleben her, dass mein Bart weiß geworden ist. Von allen Waldgeistern habe ich vielleicht die größte Kenntnis vom Volk der Großen. Doch niemals zuvor hat mir ein Hässling so sehr geholfen wie du.«
    Ich glaube, ich bin rot geworden, als er das sagte. Seine harte Faust umklammerte meine Krallen.
    »Und jetzt sehe ich, dass du eine Frau gefunden hast.«
    Wie seltsam es war, so etwas von ihm zu hören! Er sprach so wie zu einem erwachsenen Mann. Loke grinste in seinen Bart, als ich zu ihm hinabsah.
    »Ich habe aufgepasst!« Er drückte mir einen runden Ellenbogen in meine Seite und zwinkerte mir zu. »Ich kenne die Gewohnheiten der Hässlinge.«
    Loke lächelte eine Weile vor sich hin, bevor seine Sorgen wieder die Oberhand gewannen. Er flocht seine Finger in seinen Bart und seufzte.
    »Die Gewohnheiten der Hässlinge, ja…« Er faltete die Hände vor seinem Bauch, starrte auf den Boden und sagte: »Du bist kein Waldgeist, Karain. Deshalb musst du bald eine Entscheidung treffen. Denn egal, was geschieht, ob wir nun rechtzeitig mit der Wurzel zu dem Gamle kommen oder nicht, du musst wissen, dass sich unsere Wege bald trennen werden.«
    Ich wollte ihm widersprechen. Ich wollte mit ihnen gehen, wo immer sie auch hingingen. Doch in diesem Moment ging Kirgit vorbei. Sie wärmte mich mit ihrem Blick, und ich wusste, dass Loke Recht hatte.
    »Du musst tun, was das Leben von dir verlangt«, sagte Loke, während ich beobachtete, wie sie Trockenfleisch von der Decke nahm. »So ist es mit uns allen. Auch wenn dich diese Menschen Vogelmann nennen, so bist du doch einer des Volkes der Großen. Und euer Leben ist kurz. Lebe es, solange du kannst!«
    Loke sah mich an. Sein altes Gesicht sagte mehr, als ich jemals mit Worten ausdrücken kann.
    »Im Westwald, in der Stadt der Jäger, sehe ich, wie Kinder geboren werden. Ich sehe sie aufwachsen. Und wenn ihre Zeit gekommen ist, begleite ich die Jäger auf ihrem Heimlichen Weg. Ich lese die Jahreszeiten in deiner Rasse, und du, Karain, hast den Sommer noch nicht gesehen.«
    Mit diesen Worten ließ er mich allein. Er schlenderte davon und hockte sich zu Bile, Vile und Bul, die hinten am langen Tisch Pinnchen zogen.
    Sommer… Ich ging zum Fenster hinüber, schloss ein Auge und starrte durch den Spalt im Fensterladen.
    Die Jahreszeiten in deiner Rasse… Schnee tanzte an den Wänden der Hütten entlang, und ich sah nichts anderes als Winter.
     
    In dieser Nacht träumte ich, Freunde. Ich flog wieder. Doch auch dieses Mal war ich allein. Ich glitt durch eine Welt aus Wolken und schloss die Augen, denn der Schnee ließ mich weinen. Doch als ich sie wieder öffnete, war der Himmel klar! Ich sah auf den Schnee hinunter. Er war nicht weiß. Er war rot. Vor Blut.
     
    Die Stille weckte mich. Etwas stimmt nicht, dachte ich und warf die Decke zur Seite. Vile, der neben mir lag, schrak auf und tastete nach seinem Hut. Ich breitete wieder die Decke über ihn und schlich mich zur Tür hinüber. Die anderen schliefen alle. Viani hatte ihre Hand auf Nojs behaarte Brust gelegt. Kirgit drehte sich unter ihrer Decke neben dem Tisch um. Ich schlich mich zurück zur Feuerstelle und zog mir mein Hemd über den Kopf, denn ich wollte nicht, dass sie mich so sah, mit schwarzen Federn auf Armen und Schultern. So sicher war ich noch nicht geworden.
    An der Tür zog ich meine Stiefel an, schob den Riegel beiseite und trat nach draußen.
    Jetzt begriff ich, warum es so still war. Der Himmel war wolkenlos. Es war windstill, und die Sonne leuchtete weiß über die Gipfel der Klippen. Ein Adler kreiste über mir. Doch ich sah keine Raben.
    »Kragg blickt mit Gnade auf uns herab«, hörte ich, und Noj trat aus der Hütte. Er lief mit nackten Füßen durch den Schnee, kratzte sich am Bauch und blinzelte in die Sonne. Hinter ihm sah ich Kirgit. Ich konnte die Überraschung in ihrem Gesicht erkennen, wie sie mit weit aufgerissenen Augen dastand. Dann sah sie mich an, und auf ihrem Mund zeichnete sich langsam ein Lächeln ab. Mit einem Geschrei, das die ganze Felsenburg aufweckte, rannte sie hinaus, ließ sich zu Boden fallen und rollte sich durch den Schnee. Dann formte sie einen Schneeball, warf ihn auf Noj, stand auf, ergriff meinen Arm und drehte sich wie im Tanz, bis sie sich schließlich wieder auf den Rücken fallen ließ und ihre Hände im Weiß vergrub.
    »Meine Tochter ist verrückt«, murmelte Noj. Er

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