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Die Traenen Des Drachen

Titel: Die Traenen Des Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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warne die anderen. Sag ihnen, sie müssen das Tor verbarrikadieren!«
    »Kretter!« Kirgit fauchte neben mir wie eine Katze.
    Ich sah, dass sie Recht hatte. Es waren Kretter. Und jetzt erkannte ich, dass die Felswand unterhalb des Absatzes gar nicht so steil war. Männer in Umhängen und mit Kopftüchern kletterten mit Speeren und Bogen ohne Mühe bis zu den Dächern der Belagerungshütten empor. Sie trugen jetzt keine gebundenen Gewänder mehr, sondern lederne Rüstungen mit blanken Nägeln. Diese Kretter sahen nicht so aus wie die geschwätzigen Händler, die sich um uns geschart hatten, als wir gefangen genommen worden waren. Diese hier waren Krieger und Vollstrecker.
    Ich zählte dreimal zehn von ihnen auf der Felsenbrücke, und unten auf der Ebene wimmelte es von schwarzen Gestalten im Schnee, Pferde und Männer. Unter den Männern erkannte ich einen, der mindestes drei Ellen groß war.
    »Sie haben sich wieder mit den Vokkern verbündet.« Noj streckte ihnen die geballte Faust entgegen. Dann zog er ein Messer aus seinem Gürtel und kappte das Entertau. »Am liebsten würde ich warten, bis sie auf halber Höhe sind, doch jetzt haben sie uns gesehen.«
    Er warf den Eisenhaken nach unten. Wir warteten einen kurzen Moment, bis er mit einem Knall auf einem der schildbedeckten Dächer aufschlug.
    Noj grinste und beugte sich über die Kante.
    »Manchmal können sie einfach zähe Ratten sein«, sagte der Blonde mit dem Schnurrbart. Wütend kniff er die Augen zu, formte mit den Händen einen Schneeball und ließ ihn auf die Angreifer hinabfallen. »Stell dir das vor, da haben sie ihre Schiffe voll gepackt mit Essen, Waffen, Balken und Pferden, sind damit in unseren Hafen im Osten hochgesegelt und haben es während des Schneesturms alles mit Schlitten hierher gezogen.«
    »Man muss sie fast bewundern«, nickte Noj. »Bei dem schlechtesten Wetter seit langem sind sie auf den Absatz geklettert und haben ihre Belagerungshütten an der Felswand festgezurrt.«
    Viani legte ihren Arm auf seine Schulter. Sie presste die Lippen zusammen und schaute nach unten.
    »Wir haben immer davon gesprochen, diesen Absatz wegzuhauen. Ich hab dir letzten Sommer schon gesagt, dass das gemacht werden sollte, nicht wahr, mein Mann?«
    Noj fuhr sich über seinen kahlen Schädel und murmelte etwas, das ich nicht hören konnte.
    »Aber da hattest du keine Zeit und auch keiner der anderen Männer.«
    »Nein«, sagte der Blonde lächelnd. »Das ist eine schwere und gefährliche Arbeit. Und im Sommer hatten wir doch so viele Feste. Met musste gebraut werden, und…«
    »Faulpelze!« Viani warf ihm einen scharfen Blick zu. Dann wandte sie sich an Noj, breitete die Arme aus und verdrehte die Augen. »Ihr hattet nicht einmal Zeit, die Bolzen von der letzten Belagerung wegzuschlagen!«
    Sie warf ihren Kopf in den Nacken, ergriff Kirgits Arm und marschierte auf die Treppe zu.
     
    Ich setzte mich mit den Waldgeistern auf die Bänke. Vile raufte sich den Bart.
    »Wie sollen wir jetzt die Wurzel für den Gamle finden?« Loke zog an seinen Bartflechten und ließ seinen Blick über die Ebene schweifen.
    »Ich weiß nicht. Wie mir scheint, sind wir eingesperrt.« Ich konnte nichts anderes sagen. Der Sturm hatte uns zehn Tage in den Hütten festgehalten, und jetzt belagerten die Kretter die Felsenburg. Der ewig währende Winter war näher als jemals zuvor. Einen Augenblick lang dachte ich an die Möglichkeit, zu ihnen hinauszugehen und ihnen alles zu erklären. Vielleicht würden sie die Belagerung aufgeben, wenn es mir gelang, ihnen zu erklären, dass auch sie sterben müssten, wenn wir die Wurzel nicht fanden? Aber ich erinnerte mich an den Scheiterhaufen in Krett und wusste, dass sie nicht zuhören würden.
    »Schau dir den an«, sagte Noj. Gemeinsam mit dem Blonden stand er noch immer an der Kante. »Jetzt spannt er seinen Bogen. Verdammtes Kretterschwein!«
    Noj trat einen Schritt zurück. Der Pfeil zischte an die Decke und fiel in den Schnee.
    »Die schießen auf uns!« Bile sprang von der Bank nach unten. »Hier können wir nicht bleiben!«
    »Nein.« Noj ging auf die Treppe zu. Dort drehte er sich noch einmal zu dem Blonden um. »Schüttel sie runter, wenn sie versuchen, emporzuklettern.«
     
    Wir begleiteten ihn. Auf dem Weg nach unten waren die Treppenstufen noch glatter. Ich klammerte mich an das Tau, während sich die Stadt unter mir zum Kampf rüstete. Sie fuhren mit Schlitten zum Tor hinüber, durch dessen Ritzen bereits Rauch quoll. Die Pferde

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