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Die Traenen Des Drachen

Titel: Die Traenen Des Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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seit es in der Felsenburg heimisch geworden ist.
    Auch das sehe ich in der Glut. Und es stimmt mit dem überein, was ich zuvor gesehen habe. Die Götter haben sich von den Menschen abgewendet. Die Kämpfe haben sie müde werden lassen, und sie kümmern sich nicht mehr um uns. Sogar Kragg ist nahe daran, zu vergessen. Und noch etwas entnehme ich den Zeichen, etwas, das mich verwundert. Es wird in deiner Zeit geschehen. Es wird dir wie ein großes Wunder erscheinen, aber es wird dennoch Kraggs Wille sein. Denn selbst unser Alter muss sterben. Und eine neue Zeit, eine Zeit mit neuen und mächtigeren Göttern, Enkeln der Ältesten, wird anbrechen.
    Das sind meine Worte an dich. Es werden meine letzten sein. Ich habe mir den Gipfel einer Klippe ausgesucht.«
    Die Kelszeichen hörten einen Fuß vor Ende des Leders auf. Hier war die Feder angenäht worden. Ich legte meine Hand auf sie. Den Gipfel einer Klippe… Was konnte er damit meinen?
    »Was steht da?« Kirgit war von ihrem Platz vor dem Feuer aufgestanden und konnte anscheinend ihre Neugier nicht mehr im Zaum halten.
    »Etwas über Götter«, sagte ich lächelnd.
    »Götter? Erzähl! Ich liebe Geschichten über Götter!« Kirgit zog an meinem Ärmel. Noj lachte.
    »Du tust am besten, was sie sagt, sonst kriegst du nie Ruhe!«
    Er machte es sich, den Rücken an den Sockel der Feuerstelle gelehnt, bequem.
    »Und ich selbst bin auch ziemlich neugierig. Sie muss wichtig sein, diese Botschaft. Wir haben sie so lange aufbewahrt!«
    Und so erzählte ich, was ich gelesen hatte. Doch den letzten Teil über Man und den Drachen behielt ich für mich, und auch über die Träume und die Botschaften, die ich von Kragg bekommen sollte, sprach ich nicht. Der letzte Vogelmann hatte mich gebeten, alleine zu lesen, und ich wusste jetzt, dass es ihm darum ging, das Felsenvolk vor einer Wahrheit zu behüten, die nur ich kennen sollte. Außerdem mochte ich die Vorstellung nicht, einen geliebten Menschen beweinen zu müssen. Um wen konnte es sich dabei handeln?
    »Was für eine Geschichte!« Kirgit hob ihre Arme über den Kopf und lächelte mit ihrem ganzen Körper. »Das war die Beste, die ich seit langem gehört habe.«
    »Es scheint mir mehr als eine Geschichte zu sein«, sagte Loke und kratzte sich hinterm Ohr. »Ich konnte den Gesang alter Zeiten hören, als du gesprochen hast, Karain.«
    »Das ist unsere Götterlehre«, sagte Viani. »Denn auch wenn Kragg unser Gott ist, so ist er doch nicht der einzige. Berav, Ekserk, Man und die anderen sind uns alle bekannt. Doch wir sprechen ihre Namen nicht oft aus. Dann können sie ihre Kraft verlieren. Deshalb sagen wir bloß, dass sie namenlos sind.«
    »Das ist richtig.« Noj hielt sich den Zeigefinger vor den Mund und dämpfte seine Stimme. »Wir sollten die alten Namen heute Abend nicht mehr aussprechen.«
    Noj stocherte mit einem Stecken im Feuer, und bald darauf waren er und Viani unter ihren Fellen verschwunden. Kirgit schlief gleich neben mir unter den Decken ein, und die Schüler rollten sich unter Jacken und Bärten zusammen. Nur Loke blieb sitzen und sah gemeinsam mit mir in die Glut.
    Der letzte Vogelmann hatte in so einer Glut Zeichen erkannt. Ich starrte auf die verkohlten Scheite und die rötlich weißen Glutreste und spürte die Wärme auf dem Gesicht. Sie hauchte mich im Gleichklang mit meiner eigenen Atmung an. Wie ein uraltes Geschöpf. Ein Geschöpf aus Feuer. Ein Drache.
    Ich sah Loke eine Decke um meinen Körper legen, während ich selbst irgendwohin unter die Decke entschwebte. Ich flatterte durch die Luke im Dach in den Sturm hinaus. Der Wind war ein alter Freund, der meine Arme stützte. Ich kam auf die andere Seite des Sturms und landete auf einer Wiese. Doch ich war nicht allein: Ein Riese kam auf mich zu. Er trug ein zweischneidiges Schwert, und sein Bart glitzerte vor Eisen und Gold. Er trug eine Rüstung aus silbernen Platten, und ihm folgte ein Heer von Drachen. Sie waren blutrot, bronzegrün, schwarz und eisengrau.
    Der Riese lächelte mich an und sprach:
    »Kragg«, sagte er. »Wir ziehen jetzt in den Kampf. Es ist gut, dass du bei uns bist.«
    Ich nahm einen letzten Platz in seinem Gefolge ein. Vor mir bohrten sich tausende von Drachenklauen in den Boden. Schuppige Rücken und lange Schwänze schlugen im Takt mit den Kampfgesängen. Denn die Drachen sangen einen uralten Rhythmus, gleichtönig wie die Herzschläge in meiner Brust. Und ich sang mit ihnen. Ich war selbst ein Drache, die Haut mit roten Schuppen

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