Die Traenen Des Drachen
liefen frei umher. Männer und Frauen schwirrten mit Speeren und Bogen um die Hütten herum. Einige waren die Felsenpfade emporgestiegen.
»Das ist jetzt der einzige Weg hier heraus.« Noj sprach über seine Schulter. »Über die Berge. Aber in der Richtung kommst du nur nach Westen. Und das Gebirge entlässt vor Gråmyr niemanden auf die Ebene, und das ist zehn Tagesmärsche von hier entfernt.«
»Warum gehen die dann in die Richtung?«, rief Loke hinter mir.
»Schweine.« Noj blieb stehen und zeigte in die Berge. »Sie müssen die Wildschweine einfangen. Die Belagerung kann Monate dauern.«
Monate… Dann wäre es zu spät. Dann wäre den Krettern gelungen, was kein Volk zuvor vollbracht hat. Dann hätten sie die einzige Hoffnung des Frühlings für immer vernichtet.
Wir versammelten uns hinter dem Tor, die Waldgeister, das Felsenvolk und ich. Die Männer hatten die Schlitten übereinander gestapelt und Schnee in sie geschaufelt. Jetzt könne das Tor ruhig niederbrennen, sagten sie. Der Schnee würde die Flammen löschen, wenn es wirklich einbrach, und den Eingang versperren. Noj gab drei Männern den Befehl, noch mehr Schnee über die Schlitten zu schaufeln, und ließ alle anderen zur Beratung zusammenkommen.
»Wir müssen Steine in die Kalanen hinauftragen«, sagte er. »Wenn wir nicht genug finden, müssen wir die Wände der Hütten verwenden.«
Die Männer nickten. Die Frauen flüsterten untereinander. Alle, Kinder, Frauen und Greise mit weißen Haaren, trugen Bogen. Ohne jeden Zweifel hatten sie so etwas früher schon einmal erlebt, dachte ich. Während einer Belagerung war niemand zu jung oder zu alt, um ihre Burg zu verteidigen, das wussten sie. Das hatten mir die Kelsmänner so oft daheim in Krugant erzählt. Wenn jetzt nur eine Hand voll Kelskrieger hier gewesen wäre, hätten die Kretter ordentlich etwas zu tun bekommen!
»Von jetzt an schlafen alle abwechselnd.« Noj streckte die Hand aus. »Alle zu meiner Rechten schlafen nachts und alle zu meiner Linken tagsüber, tauscht, wenn ihr wollt, aber glaubt nicht, dass sich die Kretter eine Chance entgehen lassen, wenn sie eine leere Kalane entdecken!«
Da ertönte das Echo von den Wänden.
»Noj… Noj… Komm… Noj… Komm…«
Der blonde Mann, der in der Kalane geblieben war, winkte zu uns hinunter. Noj fluchte. Viani starrte ihren Mann verständnislos an, als ob das etwas war, was sie nicht erwartet hatte.
»Jarre, Voj, Klo, Vinner, Tinn und Nosso!« Noj wählte sechs Männer aus. »Nehmt jeweils drei Bogenschützen mit und ein paar doppelköpfige Lanzen, damit ihr ihre Leiter wegschieben könnt. Geht in eure Kalanen!«
Wir rannten wieder auf die Felswand zu, doch dieses Mal blieben die Waldgeister zurück. Die Männer trennten sich und kletterten über schmale Stiegen, die ich zuvor nicht einmal bemerkt hatte, in die Felsen empor. Ich selbst folgte Noj. Der Blonde wartete oben am Ende der Treppe auf uns.
»Was ist los, Turvi?« Noj hielt sich schwer atmend am Tau fest und stieg die letzten Stufen empor. »Greifen sie an?«
Turvi streckte seine Hand aus und half uns hoch.
»Sie schlagen einen Tauschhandel vor.« Er strich die Enden seines Barts an den Mundwinkeln nach unten. Es lagen jetzt mehr Pfeile im Schnee; einige hatte er auf die Bank gelegt.
Vorsichtig blickten wir über die Kante. Bogenschützen standen auf den mit Schilden gepanzerten Dächern der Hütten und starrten uns an. Ein kleiner gebeugter Mann mit einem roten Umhang legte die Hände an den Mund und rief: »Das ist ein gutes Angebot. Ihr versteht euch doch aufs Handeln, gute Leute!«
Noj kratzte sich am Bart.
»Was meinst du, Vogelmann? Sollen wir es uns anhören?«
Der Mann im roten Umhang strich sich die Haare aus der Stirn. Seine Hände zitterten.
»Fordere ihn auf, nach oben zu kommen«, sagte ich. »Lass ihn sehen, dass hier drinnen keine Berge von Gold lagern.«
»Ein guter Gedanke.« Noj kniete sich hin und rief zu ihnen hinunter.
»Werft einen Haken hoch, dann ziehen wir dich hoch. Hier oben können wir am besten reden.«
Ich sah, dass ihnen das nicht gefiel. Die Bogenschützen steckten die Köpfe zusammen, und einige gingen unter dem Schilddach in Deckung. Doch dann breitete der Gebeugte die Arme aus und gab ihnen irgendeinen Befehl. Ich konnte nicht verstehen, was er sagte, doch einer der Bogenschützen verschwand unter dem Dachvorsprung und kam mit einem Enterhaken zurück. Er schleuderte ihn im Kreis über dem Kopf, zielte und ließ ihn zu uns
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