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Die Tränen des Herren (German Edition)

Die Tränen des Herren (German Edition)

Titel: Die Tränen des Herren (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Napp
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kostbare Beute an sein Herz gepresst eilte er zurück in den Kerker.
    „Brüder des Tempels?“ erklang ein leiser Ruf.
    Pietro di Bologna hob den Kopf. Erstaunt blickte er in das junge Gesicht eines Dominikaners.
    „Schnell, Bruder! Ich bringe Euch die Heilige Speise!“ flüsterte der Mönch und hielt ein weißes Bündelchen durch das Gitter.
    Misstrauisch griff Pietro di Bologna danach. War das ein grausamer Spott der Inquisition?
    Er schlug das Tuch auseinander. Sieben Hostien lagen darin.
    „Mein Gott!“ sagte er, nach Worten suchend, die seine Dankbarkeit ausdrücken konnten. „Der Herr Christus möge es dir vergelten! Wer bist du?“
    „Bruder Tancred.“
    Entfernt waren die Stimmen des Wächters und des Kerkermeisters zu hören. Der junge Mönch drehte sich ängstlich um.
    „Warte, Bruder Tancred!- Einer von uns, der Komtur Robert, ist vor Tagen zur Befragung geholt worden. Weißt du etwas von ihm? Ist er am Leben?“
    „Ja...“
    Die Stimmen kamen näher. Hastig floh der junge Mönch.
    Pietro di Bologna widmete sich wieder Bernard, durchströmt von neuer Kraft. Nein, es war noch nicht alles verloren! Gerade wieder hatte Gott seine Barmherzigkeit erwiesen! Laut begann er das Credo zu sprechen. Nacheinander fielen anderen Gefangenen fielen ein.
    „Amen!“ schloss ein vielstimmiger Chor.
    Kaplan Pietro hob eine Hostie und zeichnete das Kreuz über Bernard. „Der Leib des Herrn erhalte deine Seele für das ewige Leben...“ Er legte das Heilige Brot in den Mund des Jungen. „Nimm auf, o Herr, deinen Diener am Ort der Hoffnung...Befreie, o Herr, die Seele deines Dieners...“
    Plötzlich richtete sich Bernard auf. Seine Augen strahlten.
    „Jerusalem!“ hauchte er. „Ich kann es sehen...“
    König Philipp las den Brief des Papstes zum zweiten Mal, gegen seinen Verstand hoffend, dass er sich getäuscht hatte.
    Aber da stand es, vom Clemens selbst geschrieben:
    „Du, Philipp, hast die Hand auf die Personen und Güter der Templer gelegt, und, was der Gipfel unseres Schmerzes ist, du hälst sie noch immer gefangen, ja nach allem, was man hört, bist Du sogar noch weiter gegangen und hast dem Betrübnis des Kerkers noch ein anderes hinzugefügt...“
    Selbst in diesen zurückhaltenden Zeilen war die Empörung des Papstes über die angewandte Folter zu spüren.
    „...aus diesen Gründen, und weil Wir glauben, dass es Unser von Gott verliehenes Recht ist, fordern Wir die Überantwortung aller Brüder des Templerordens unter Unsere Gewalt und Unser Recht. Kraft Unserer apostolischen Autorität entheben Wir hiermit die Inquisitoren ihrer Befugnisse und untersagen ihnen, ohne die Zustimmung des Heiligen Stuhls in dieser Sache weiter tätig zu sein...“
    Das Unfassbare war geschehen. Der kranke, ängstliche Papst Clemens bot ihm die Stirn! Philipp legte die Hände so fest um die Armlehnen seines Stuhls, dass die Knöchel weiß durch die Haut schimmerten. Er sah das Land der Templer vor sich, all die zahllosen Dörfer, Felder, Weiher, ihre ertragreichen Landgüter, ihre Festungen, und vor allem, ihr Gold. Das Unabdingbare, um seinen Reformen zum Erfolg zu verhelfen!
    Sollte er das alles wieder verlieren? Das Volk war leicht zu beeindrucken und neigte sich, wie der Wind gerade blies. Clemens mochte eine traurige Figur abgeben, aber er war der Nachfolger des Heiligen Petrus, und das Volk war so fromm wie dumm.
    Und wenn Clemens den Templern eine öffentliche Verteidigung gewährte, war es gut möglich, dass die Stimmung zugunsten der Ordensmänner umschlug. Philipp hatte schon einmal erfahren müssen, wozu ein aufgebrachter Pöbel fähig war... Er stand auf und rollte den Brief zusammen. Langsam gewann er seine gewohnte Ruhe zurück. Papst Clemens saß in Poitiers. Beschützt - oder bewacht, wie man es sehen wollte - von französischen Truppen...
    Er wandte sich an den im angrenzenden Gemach wartenden Kammerdiener: „Lasst Guillaume de Nogaret holen!”
    Nur eine halbe Stunde darauf verbeugte sich der Siegelbewahrer vor König Philipp.
    Seine allerchristliche Majestät bedeutete ihm huldvoll, sich neben dem Thron niederzusetzen.
    „Euch wird nicht entgangen sein, Messire, dass eine gewisse... Verwirrung herrscht über die Befugnisse eines Königs zur Verfolgung einer Häresie von einer Abscheulichkeit, wie die Templer sie begangen haben“, begann Philipp ohne umschweife. „Einer Häresie, die nicht nur unser christliches Volk gefährdet, sondern auch die Heilige Mutter Kirche untergräbt und heimtückisch

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