Die Tränen des Herren (German Edition)
damit?”
„Man hört Gerüchte. - Ah, ich muss gehen. Gebe Gott, dass wir morgen endlich vorgelassen werden, Bruder!”
Der alte Templer blieb allein zurück.
Ein Prozess gegen Papst Bonifatius! Das war also das zweite, die Kirche bedrohende Übel gewesen, von dem Erzbischof Gregor damals in Tours gesprochen hatte! König Philipp drohte Clemens mit einer Anklage von Papst Bonifatius, wenn ihm der Papst im Falle der Templer nicht willfährig genug war! Arnauds Hände schlossen sich fest um seinen Stock, als könne der ihm Halt geben.
Das Dominikanerkloster befand sich außerhalb der Mauern von Poitiers. Der schmale, baumgesäumte Weg zum Stadttor führte an einer Viehtränke vorbei. Dort lagen Jocelin, Guy und zwei weitere Brüder im Hinterhalt. Ihre Gedanken weilten noch bei den Nachrichten, die Arnaud mitgebracht hatte. Wenn König Philipp den Papst wirklich erpresste, dann würde Clemens dem Orden vielleicht niemals zu Hilfe kommen können und wollen. Dann waren die Templer gezwungen, ihr Recht vielleicht auch gegen den Papst einzufordern. Umso wichtiger würde es sein, dass die nach Poitiers gebrachten Zeugen für die Wahrheit einstanden.
Jocelin spähte durch das Blattwerk. Zwei Dominikaner hatten die Klosterpforte verlassen. Den Rosenkranz betend kamen sie näher. Jocelin und Louis ließen ihnen einige Schritt Vorsprung, stürzten aus ihrem Versteck und ergriffen die Mönche.
„Keine Angst, es geschieht euch nichts,” versprach Jocelin, während er seinem Gefangenen einen Knebel in den Mund stopfte. „Zieht eure Kutten aus!”
Der Jüngere der beiden Dominikaner wehrte sich so heftig, dass Louis ihn niederschlagen musste. Eilig kleideten sich die beiden Ordensbrüder um. Ihre Gefangenen in der Obhut von Guy zurücklassend machten sie sich auf den Weg zur Stadt.
Der Amtmann des Bischofs, der die Abgesandten der Dominikaner an den vergangenen Tagen in Empfang genommen hatte, verhielt sich misstrauisch beim Anblick der unbekannten Gesichter.
„Wo sind Bruder Nikolaus und Bruder Thomas?”
„Bruder Thomas hat heute bei unserem Prior zu tun. Und Bruder Nikolaus geht es nicht wohl.”
Der Amtmann nickte.
„Dann hat es ihn gestern doch übler erwischt! Aber Ihr braucht keine Angst zu haben, dass das noch einmal passiert! Wir haben die Gefangenen in Ketten legen lassen!”
Er griff nach den Schlüsseln und schlurfte zur Treppe.
Kurz darauf standen die Templer ihren unglücklichen Ordensbrüdern gegenüber. Jocelin bekreuzigte sich und hob die Stimme zu einer eindringlichen Ermahnung:
„Bekennt all Euere Sünden, denn unser Herr Jesus Christus ist barmherzig. Er, der die Heilige Maria Magdalena errettet hat, die doch von sieben Dämonen besessen war, er wird auch euch barmherzig sein...”
Als er den Amtmann des Bischofs außer Hörweite wähnte, verstummte Jocelin. Er und Louis schlugen ihre Kapuzen zurück. Erstaunt sahen die Gefangenen, dass die beiden “Beichtväter” nicht die Tonsur der Priestermönche trugen.
„Ihr seid keine Dominikaner! Was soll das?” fragte eine ängstliche Stimme.
Jocelin trat näher zu den Gefangenen.
„Wir sind Brüder des Tempels wie ihr auch“, sagte er leise. Doch seine Antwort zerstreute die furchtsamen Bedenken der anderen nicht. Sie alle hatten den Orden mit falschen Geständnissen belastet und sich von ihm losgesagt! Waren diese Fremden hier, um sie zum Schweigen zu bringen?!
„Was wollt ihr von uns? Wer schickt euch?”
„Niemand hat uns geschickt. Wir sind ein paar dutzend Brüder in Freiheit. Seit über einem Jahr versuchen wir, ein gerechtes Verfahren durchzusetzen. Darum sind wir heute auch hier: um euch zu bitten, bei eurer Anhörung den Orden zu verteidigen!”
„Verteidigen? Das können wir nicht!” rief ein hellhaariger Ordensritter von der gegenüberliegenden Seite. „Man hat uns verpflichtet, unsere früheren Geständnisse zu wiederholen! Wenn wir es nicht tun, schicken sie uns auf den Scheiterhaufen! Und ich habe schon zwei meiner Brüder brennen sehen!”
Jocelin wandte sich dem Mann zu. „Wer seid Ihr?”
„Isnard...Isnard de Montreal, Komtur von Carcassonne...”
„Ich kann mir vorstellen, was Ihr durchgemacht habt, Bruder. Aber Ihr müsst dennoch die Wahrheit sagen, ich bitte Euch!”
„Sie haben mich wochenlang hungern lassen...” murmelte der Gefangene mit gebrochener Stimme. ”Ich wusste gar nicht mehr, was ich sagte, als sie mich verhörten...”
Jocelin legte beruhigend die Arme um den weinenden
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