Die Tränen des Herren (German Edition)
gut, wenn wir einen der Unsrigen in die Kanzlei einschmuggeln könnten. Es werden sicherlich noch Kopisten gesucht.“
Einer der Brüder bestätigte Arnauds Vermutung. Er hatte die entsprechenden Anschläge an den Kirchentüren und am Marktplatz gesehen.
„Ich melde mich. „ Die Worte kamen von Helias, dem ehemaligen Kaplan von Provins, der vor vier Monaten hatte gerettet werden können. Geständig und rekonziliarisiert, aber mit dem Willen, dieses Versagen wieder gut zu machen.
Noch am selben Tag ließ sich Bruder Arnaud in das Kloster führen, in dem Papst Clemens residierte. Der Aufenthalt des Heiligen Vaters hatte den Konvent in einen Bienenschwarm verwandelt. Notare liefen durch die Gänge, Geistliche aller Rangstufen, Franziskaner, Dominikaner, Cölestiner, Cistercienser und Johanniter bevölkerten den Gästeflügel des Klosters. Eine große Anzahl von Laien belagerte täglich den Audienzsaal, auf Begünstigungen wartend, die Entscheidung eines alten Streites hoffend, oder einfach, um die Botschaften irgendwelcher Barone zu überbringen. Manche vertrieben sich die Zeit, einem mitgeführten Spielmann zu lauschen, andere rechneten verzweifelt die Kosten ihres Aufenthalts aus, immer gereizter den päpstlichen Kammerherrn um Audienz angehend.
Arnaud trug die Mönchskutte, die man Jocelin einst in St. Germain-des-Prés gegeben hatte. Bereitwillig ließen die Bittsteller den blinden Mann mit der Aura eines heiligen Asketen den Vortritt, sei es auch nur um zu sehen, ob ihm Audienz gewährt würde.
„Seine Heiligkeit ist krank, das habe ich Euch heute schon einmal gesagt!” wehrte der päpstliche Kammerherr gerade erneut einen ungeduldigen Adligen ab. „Nein, Ihr könnt nicht zu ihm, unter gar keinen Umständen! Der Heilige Vater wird heute und morgen niemanden mehr empfangen!“
Der Mann drehte sich wutschnaubend um und eilte mit großen Schritten an Bruder Arnaud vorbei. Mit dem Blick eines Beamten, der es mehr als leid war, beständige Bitten hören zu müssen, starrte der Kammerherr nun auf den Ordensbruder.
„Und was wollt Ihr noch? Ihr habt es doch gehört. Keine Audienzen mehr heute und morgen.”
„Es handelt sich um das Verfahren, das in drei Tagen beginnen soll.”
„Ach, jeder, der hier kommt, hat angeblich etwas zu dem Prozess zu sagen! Wenn ich jeden zu seiner Heiligkeit vorlassen würde-”
„Gebt mir nur einen Augenblick! Clemens soll selbst entscheiden, ob er mich anhören will!”
„Nein. Keine Audienzen!” Mit diesem endgültigen Wort verließ der Kammerherr den Saal.
Arnaud tastete sich mit seinem Stock bis zu einer der Bänke in der Galerie und setzte sich. Er überlegte, ob es Zweck hätte, sich mit den Mitgliedern der Kommission in Verbindung zu setzen. Aber Thomas von Santa Sabina war Dominikaner, und wohl kaum geneigt, etwas zu tun, was die Inquisition und seinen Orden in schlechtes Licht rücken würde... Petrus und Landulf Colonna verdankten ihr Amt dem Kampf König Philipps gegen ihren Feind, den früheren Papst Bonifatius. Sie waren vielleicht versucht, dieser Dankbarkeit deutlichen Ausdruck zu verleihen. Stephan de Suisy hatte lange Zeit das Amt des königlichen Siegelbewahrers versehen... Berengar Fredoli hatte sich schon bei der Inquisition im Languedoc durch besondere Härte hervorgetan...
Eine laute Stimme störte Arnaud in seinen Gedanken. Sie gehörte einem Johanniterbruder, der sich neben ihn gesetzt hatte.
„Keine Audienzen! Wir geben alles, um diese verdammte Insel zu erobern, und Seine Heiligkeit hat nicht einmal Zeit für eine Audienz! Nur eines hört man beständig: die Templer und Papst Bonifatius!”
Bruder Arnaud horchte auf. Die Auseinandersetzung König Philipps mit Papst Bonifatius und die Gefangennahme des Vikars Christi vor fünf Jahren durch Nogaret hatten damals die Gemüter heftig bewegt.
„Bonifatius?” wiederholte er, als habe er keine Ahnung, wovon sein Gegenüber sprach.
„Ja. Man munkelt, der König drohe Clemens mit einer förmlichen Anklage gegen seinen Vorgänger!” erwiderte der Johanniter.
„Eine Anklage gegen den Papst?”
„Man erzählt sich ganz furchtbare Dinge.” Nun senkte der Johanniter seine Stimme. „Häresie, Verschwörung, Götzendienst! Genau das gleiche, was man jetzt den Templern vorwirft. Ich sage nicht, was ich darüber denke, aber...! Ein Prozess gegen einen Papst, vielleicht seine Verurteilung, wisst Ihr, was das bedeuten würde?!”
Arnaud bekreuzigte sich. „Und Ihr sagt, der König droht Clemens
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