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Die Tränen des Herren (German Edition)

Die Tränen des Herren (German Edition)

Titel: Die Tränen des Herren (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Napp
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weil ich Euch nicht gehorche?! Mir reicht es, wegen jeder Kleinigkeit angefaucht zu werden!“
    „Seid vernünftig, Raimond!“
    „Oh, ich BIN vernünftig! Ich gönne mir ein bisschen Vergnügen, bevor mich König Philipp verbrennen lässt!“
    Jocelin packte den Jüngeren am Gewand und stieß ihn gegen die Felswand. „Ihr bringt unser letztes Geld mit Frauenzimmern durch?!“
    „Nein, sie war willig genug, es umsonst zu machen!“ zischte Raimond zurück und suchte sich aus dem Griff seines Ordensbruders zu befreien. „Und überhaupt, legt IHR Euch doch wieder zu der Gräfin von Montfort ins Bett! Sie zahlt dann bestimmt—“
    Die Worte endeten in einem Röcheln, weil ihn Jocelins Faust getroffen hatte. Er wischte sich das Blut aus dem Gesicht und riss mit der rechten Hand seinen Dolch aus dem Gürtel. Jocelin war unbewaffnet, aber wütend genug, trotz allem anzugreifen. Raimonds Dolch schrammte seinen linken Arm entlang, aber ein zweiter Schlag ließ den Jüngeren die Waffe verlieren. Jocelin setzte an, ihn mit einem Tritt in den Magen zu Boden zu werfen, ehe er nach seinem Schwert greifen konnte, doch beunruhigte Stimmen hinter ihm ließ ihn sich umwenden. Raimond nutzte die Gelegenheit, seinen Gegner seinerseits niederzuwerfen.
    „Auseinander!“ schrie Jean de Saint-Florent, und er war mit seiner Armbrust bewaffnet, um der Forderung notfalls Nachdruck zu verleihen. „Los, zurück, Raimond! Ihr werdet doch keinen Unbewaffneten massakrieren, oder?“
    Zögernd stützte der Angesprochene sich hoch, ließ einen Blick über die unterdessen am Eingang der Höhle Versammelten schweifen.
    „Was ist hier passiert?“ fragte Kaplan Helias.
    „Nichts!“ stieß Raimond nur hervor und schob seinen Dolch in die Scheide zurück. Dann setzte er hinzu: „Nichts, was irgendeinen was angeht!“ Er warf Jocelin einen zornigen Blick zu und lenkte seine Schritte dorthin, wo die Pferde untergebracht waren. Keine Stunde länger würde er hier verweilen! Er hatte es satt, ganz einfach satt!
    „He! Wo wollt Ihr hin?“ Als er nicht antwortete, rannte Jean de Saint-Florent ihm nach. Aber schon saß Raimond auf dem Rücken seines Pferdes, wehrte mit einem Fußtritt einen Bruder ab, der ihm in die Zügel zu greifen versuchte und setzte über den am Boden Liegenden hinweg, hinab in das nachtdunkle Dickicht.
    „Wir müssen ihn aufhalten! Was ist, wenn er uns verrät?!“
    „Das wird er nicht.“ Jocelin war zu Jean getreten und hatte die Hand auf dessen Armbrust gelegt. „Das wird er nicht tun! Und wir sind keine Mörder! Soweit sollen uns die Schergen des Königs nicht bringen, dass wir uns gegenseitig töten!“    
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Herbst 1309 – England
     
    Düster klangen die Glocken von dem mächtigen normannischen Turm der Kathedrale von Winchester über die Stadt. Der Bischof verließ die Sakristei und begab sich in sein Palais. Seit Monaten saß er dort der Kommission gegen die Templer vor. Seine Notare hatten Geständnisse aufgenommen, dass die Ordensbrüder Gott und die Heiligen verleugneten, das Kreuz mit Füßen traten und dass der Teufel ihnen in Gestalt einer Kröte erschien. Freilich, nur wenige Templer waren unter den Zeugen gewesen. Die Kommissare verhörten Franziskaner, Dominikaner, Landstreicher, Huren, alle, die sich meldeten. In der Stadt war es zum Zeitvertreib geworden, üble Geschichten über die Templer zu erfinden. Der Bischof wusste, dass die knapp zwanzig Ordensbrüder in seinem Verlies nicht alle Templer seiner Diözese sein konnten. Ein beträchtlicher Teil musste der Verhaftung entgangen sein. Vielleicht war dies das Werk der verdächtigen Franzosen, den man im Frühjahr aufgegriffen hatte. Ihre Befragung war ergebnislos geblieben. Zwei waren unter der Folter gestorben, und der dritte... Nun war eigens ein Inquisitor aus Frankreich gesandt worden, um ihn zu verhören. Kühl begrüßte der Bischof von Winchester den Konkurrenten im Dominikanerhabit. Dann schritten sie gemeinsam in den Kerker hinunter. Im Bewusstsein seiner deutlich zur Schau getragenen Überlegenheit trat der Inquisitor in die Zelle, die der Bischof ihm bezeichnete. Ein hoher, kaum noch menschlicher Schrei klang ihm entgegen. In der Ecke des Raumes kauerte ein Mann. Sein Alter war nicht zu bestimmen. Er war bis auf die Knochen abgemagert und starrte vor Schmutz.
    „Wer bist du?” fragte der Inquisitor, die Fackel auf den Gefangenen gesenkt. Mit einem Lachen, das in Schluchzen überging, warf sich der Mann zu Boden. Der Inquisitor

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