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Die Tränen des Herren (German Edition)

Die Tränen des Herren (German Edition)

Titel: Die Tränen des Herren (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Napp
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bisher immer durch die Finger geschlüpft war. Das Volk dichtete bereits Lieder über ihn. Wer war dieser Mann? Und vor allem, wer half ihm?
    Die Tür von Komtur Roberts Zelle wurde aufgerissen. Er fuhr aus dem Schlaf. Im Fackelschein erkannte er einen Wachposten. Neben ihm einen Dominikaner. Eisiges Entsetzten packte ihn. Würde man ihn wieder zur Folter führen?! Dann sah er, wie der Dominikaner ein Pergament entrollte, hörte seine Worte:
    “Im Namen der Allerheiligsten Dreifaltigkeit, Amen. Wir, Gregor, Erzbischof von Rouen und auf Befehl und Weisung Seiner Heiligkeit Clemens, Vikar Christi und Diener der Diener Gottes, Vorsitzender der Untersuchungskommission gegen den Orden des Tempels in Frankreich, haben kraft der Uns verliehenen Autorität entschieden, dass im gegenwärtigen Verfahren ein jeder Zeuge gehört werden solle...”
    Robert fiel auf die Knie. War es wahr, was er da hörte?
    „...laden Wir die Brüder des Templerordens vor, damit sie über alles die volle Wahrheit sagen...”
    Robert küsste den Saum des Dominikanerhabits. Angewidert wich der Mönch zurück. Der Wachposten senkte seine Lanze zwischen ihn und den Gefangenen.
    „Wir haben Euch die Entscheidung der Kommission verkündet“, fuhr der Dominikaner kühl fort. “In einigen Tagen wird Euch ein Notar fragen, ob Ihr vor der Kommission aussagen wollt.”
    Er nickte dem Wachposten zu als Zeichen, dass er fertig war und verließ hastig das finstere Gewölbe. Komtur Robert blieb am Boden knien, weinend vor Freude.  
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    J ocelin schloss die Augen und lehnte sich gegen die Felswand zurück. Mit einem Rascheln rollten sich die Pergamente zusammen, die er vor sich auf einem Rindenstück gehalten hatte. Es war eine Kopie der Vorladung, abgeschrieben nach dem Wortlaut des Textes, den einer der ihren vom Anschlag in Paris angefertigt hatte.
    Dem Taumel der Freude über die Vorladung unter den Brüdern in Fontainebleau war bald die Ernüchterung gefolgt. Der Aufruf der Kommission zur Bekanntmachung der Vorladung war Eines, ihre Durchsetzung etwas Anderes.  Denn König Philipp blieb nicht untätig. Er missachtete kühn die angedrohte Exkommunikation. Er setzte sich nicht nur über die Anordnungen der Großen Kommission hinweg, sondern mahnte seine Lehensleute, der “Allerchristlichsten Majestät“ zum Wohle des Reiches die Treue zu halten gegenüber den “verräterischen Prälaten“. Einige Bischöfe und Grafen, denen die gefangenen Templer anvertraut waren, duldeten die Arbeit der freien Ordensbrüder stillschweigend. Doch zumeist gelang es nur durch Bestechung, wenigstens die Verteidigungsaufrufe in die Kerker zu schleusen.
    So viele Vorladungen und Petitionen wie möglich kopierten Jocelin und der einzige weitere Schreibkundige unter ihnen, Kaplan Helias. Doch es war einfach nicht genug, sie konnten nicht alle erreichen… Das zu Boden rutschende Schreibbrett weckte den Ordensbruder aus dem Halbschlaf, in den er abgeglitten war. Zum Glück war keines der kostbaren Pergamente in das vor ihm glimmende Feuer gefallen! Sie mussten sich jedes kleine Stückchen Schreibmaterial buchstäblich vom Mund absparen! Er fuhr sich über die Augen und griff nach dem Tintenfässchen. Auch die Tinte ging zur Neige.
    Das Geräusch von Schritten ließ Jocelin wieder den Kopf von der Schreibarbeit heben. Es war Bruder Raimond, der gerade in die Höhle schlich, darauf bedacht, niemanden zu wecken und offenbar vor allem, selbst nicht gesehen zu werden.
    Jocelin legte das Schreibzeug zur Seite und trat ihm entgegen. „Woher kommt Ihr? Alle haben Order, bei Einbruch der Nacht zurück zu sein! Die Gegend ist zu unsicher!“
    „Ich bin ja nicht unbewaffnet. Ich werde so einem kleinen Räuberlein schon die Suppe versalzen, verlasst Euch darauf!“ Mit diesen Worten wollte er vorbei.
    „Ich will wissen, wo Ihr wart! Vorige Woche wart Ihr ganze drei Tage weg, und niemand wusste, ob Ihr festgesetzt worden seid!“
    „Es geht Euch nichts an, wo ich war! Ich bin NICHT bei der Inquisition durch die Tür marschiert und haben NIEMANDEN angezeigt, das muss reichen!“
    Einige der zunächst Liegenden waren aufgewacht, und so zog Jocelin seinen Ordensbruder rasch vor den Eingang der Höhle. „Was heißt, es geht mich nichts an? Ich bin Euer Komtur, Ihr habt mir den Eid geleistet! Ihr seid mir zu Gehorsam verpflichtet!“
    „Ach ja?“ Raimonds Augen blitzten kampflustig und er legte die Hand bedeutungsvoll an sein Schwert. „Und? Wollt Ihr mich in den Kerker werfen,

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