Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Träume der Libussa (German Edition)

Die Träume der Libussa (German Edition)

Titel: Die Träume der Libussa (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
Vom Netzwerk:
den
besorgten Ton ihrer Worte. Brunchild war die Tochter der Kebse eines Edelings.
Niemand hatte je daran gedacht, sie in ein Kloster zu schicken, doch mangelte
es ihr an äußeren Reizen, um viel männliche Aufmerksamkeit zu wecken und die
Laufbahn ihrer Mutter einzuschlagen. Radegund wusste, dass sich hinter den
freundlichen Worten ihrer Freundin Schadenfreude verbarg. Es war ein Leichtes
für sie gewesen, Brunchild, die aussah wie ein Hefeteigkloß, in den Schatten zu
stellen. Doch nun stand ihr eine Demütigung bevor. Wie billige Ware würde man
sie bei dem Tanz behandeln. Weil sie eine Närrin gewesen war, so unglaublich
dumm, dass sich keine Entschuldigung fand.
    Sie hätte dem
Marktplatz fernbleiben können, doch dann wären die Gerüchte erst recht ins
Kraut geschossen. Zudem wäre es Gudrun merkwürdig vorgekommen. Radegund tanzte
zu gern, als dass ein Unwohlsein ihren Verzicht darauf hätte erklären können.
Eigentlich musste sie sich glücklich schätzen, dass bisher weder ihr Vater noch
ihre Stiefmutter etwas von dem Gerede mitbekommen hatten, denn sonst wäre in
ihrem Heim bereits ein Sturm ausgebrochen.
    Radegunds
Inneres war zum Zerreißen angespannt. Es drängte sie geradezu danach, jemanden
zu verletzen, um sich Erleichterung zu verschaffen.
    „Wollt Ihr mit
mir tanzen, junge Dame?“, fragte eine unbekannte Männerstimme. Radegund wollte
sich einfach nur umdrehen und dem Redner eine Antwort entgegen schleudern, die
ihn zum Gespött seiner Freunde machen würde, ganz gleich, um wen es sich dabei
handelte.
    Dann stand er
plötzlich vor ihr: ein junger Mann in schlichter, dunkler Kleidung, der sie zum
Tanz aufforderte. Dichtes braunes Haar umrahmte ein Gesicht mit hohen
Wangenknochen. Seine Augen musterten Radegund aufmerksam, aber ohne jede
abfällige Begierde. Der ernste, kluge Blick gefiel ihr so sehr, dass sie sich
auf einmal an der Seite des Unbekannten unter den Tanzenden wieder fand.
    Radegund sprang
neben dem Fremden einher, als habe ihr Körper jedes Gewicht verloren. Sie
drehte sich und wirbelte herum und nahm dabei zufrieden zur Kenntnis, dass die
Augen des Unbekannten keinen Augenblick von ihrer Gestalt wichen, als sei sie
für ihn die einzige anziehende Frau an diesem Ort. Zum Reden hatte er kaum
Gelegenheit, denn auf einen Tanz folgte der nächste. Radegund konnte sich kaum
erinnern, wann sie zum letzten Mal solche Freude und Leichtigkeit empfunden
hatte.
    „Wollen wir
eine Pause machen, junge Dame?“, fragte der Fremde schließlich. Sein Atem ging
schnell. „Ich will Euch auf einen Becher Wein einladen, wenn es Euch recht
ist.“
    Sie nickte,
doch ihr Magen verkrampfte sich. Es war jetzt nur eine Frage der Zeit, bis er
die schelen Blicke, das Geflüster und Gekicher bemerkte. Hoch erhobenen Hauptes
ließ sie sich von ihm den Becher in die Hand drücken, ohne darauf zu achten,
wie viele Augenpaare sie beobachteten.
    „Wie ist Euer
Name?“
    Radegund
stellte sich vor und fragte höflich, mit wem sie selbst die Ehre habe.
    „Ich bin
Lidomir", erwiderte er. Der Name klang fremd, doch es kamen oft Leute aus
anderen Gegenden nach Regensburg, nun, da es ein Bischofssitz war. „Ich habe
die letzten Jahre in Aachen verbracht. Vater Anselm, ein Priester, erzog mich.
Nun stattet er dem Bischof im Kloster Sankt Emmeran einen Besuch ab. Ich bin
mit ihm nach Regensburg gekommen", erklärte er unaufgefordert.
    „Seid Ihr auch
ein Geistlicher?“, fragte sie und bemerkte erstaunt, wie ihr Herz schneller
schlug.
    „Nein, ich
möchte keine solche Laufbahn einschlagen", erwiderte der junge Mann
sogleich.
    Nun hüpfte
Radegunds Herz vor Freude. „Wie gefällt Euch Regensburg?“, fragte sie, um das
Gespräch auf unverfängliche Weise fortzuführen. Sie ließ ihren Blick kurz über
die Menge schweifen. Niemand beobachtete sie. Nur Brunchild, die keine
Aufforderung zum Tanz erhalten hatte, musterte Radegund und Lidomir immer
wieder verstohlen. Sie sah so unglücklich aus, dass Radegund plötzlich
Mitgefühl empfand.
    „Ich mag alle
Städte, die an einem Fluss liegen. Sie erinnern mich an den Ort, wo ich geboren
wurde", antwortete Lidomir.
    „Wie hieß denn
dieser Ort?“ Ihre plötzlich wieder erwachte Lebensfreude machte Radegund
neugierig.
    „Er ist weit
weg von hier. Im Osten, jenseits der Grenze des Frankenreichs. Ihr habt sicher
noch nie etwas von ihm gehört.“
    Sie hatte das
Gefühl, er wolle ihrer Frage ausweichen. Sein Blick richtete sich auf den
Boden. Sie verstand nicht, was ihn

Weitere Kostenlose Bücher