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Die Träume der Libussa (German Edition)

Die Träume der Libussa (German Edition)

Titel: Die Träume der Libussa (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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uns
aufgetaucht, und das Tier geriet in Panik. Sie war sofort tot, denn sie brach
sich beim Sturz das Genick.“
    Libussa senkte
einen Augenblick den Kopf.
    „Mein Beileid,
Slavonik. Wenn du es wünschst, werde ich zur Bestattung deiner Gefährtin kommen
und ihr helfen, den Weg ins Totenreich zu finden.“
    Der
Kroatenfürst nickte ungeduldig.
    „Ich danke für
dein Angebot. Doch es gibt noch einen anderen Grund für meine Anwesenheit. Nun,
da Drahomira nicht mehr lebt, bitte ich dich, mich als neuen Fürsten der
Zlicany anzuerkennen.“
    Libussas blaue Augen weiteten
sich staunend, als habe sie eine Ungeheuerlichkeit vernommen. „Du kennst unsere
Sitten, Slavonik. Die Rolle der Fürstin geht von den Müttern an ihre Töchter
über. Sie teilen sich ihre Aufgaben mit ihren Onkeln und Brüdern.“
    „Drahomira und
ich haben keine Tochter. Nur drei Söhne. Du hast Neklan als Alleinherrscher der
Lemuzi anerkannt, nachdem seine Mutter starb und seine Schwester auf die
Nachfolge verzichtete.“
    „Ich
weiß", erklärte Libussa. „Doch damals gab es keine Schwester oder Tochter,
die diese Rolle hätte einnehmen können. Drahomira hat allerdings eine
Schwester, Jana. Sie ist die rechtmäßige Nachfolgerin.“
    Slavoniks
Gesicht verzog sich ungeduldig. „Jana ist schwach und ängstlich. Einer solchen
Aufgabe scheint sie mir nicht gewachsen.“
    Libussa schien
nicht überzeugt. „Menschen wachsen manchmal mit ihrer Aufgabe, Slavonik. Gib
dem Mädchen Zeit. Doch da sie keinen Bruder hat und Drahomiras Söhne noch
Kinder sind, erlaube ich dir, ihr zur Seite zu stehen. Das macht dich aber
nicht zum Fürsten der Zlicany. Solltest du ohne Janas Einverständnis handeln,
werde ich sie mit allen anderen Stämmen unterstützen.“ 
    Die dunklen
Augen des Kroatenfürsten blickten zornig auf Libussas zerbrechliche Gestalt.
Sie hob den Kopf und hielt seinem Blick stand. Radegund staunte, wie
entschieden Lidomirs Mutter sich männlicher Entschlossenheit entgegenstellte.
    „Du drohst mir,
Libussa von den Tschechen? Unser Stammesführer und seine Krieger sind noch
nicht zurückgekehrt", meinte Slavonik spöttisch.
    „Aber sie
werden wiederkommen. Und falls nicht, so habe ich Mnata und Lidomir an meiner
Seite, um einen Kampf zu führen. Es gibt genug Krieger, die mir treu ergeben
sind.“
    Slavonik
richtete sich zu seiner beachtlichen Größe auf. Radegund musterte fasziniert
das Spiel seiner Muskeln auf den tätowierten Armen. In ihrer Hochzeitsnacht
hatte sie bei dem Anblick jener heidnischen Zeichen entsetzt aufgeschrien,
obwohl sie auf Lidomirs Haut bereits verblasst waren. Doch bei diesem Krieger
verspürte sie plötzlich das Verlangen, ihre Finger über die teuflischen Symbole
gleiten zu lassen. Er wirkte wie ein Raubvogel kurz vor dem Angriff.
    „Ich habe deine
Botschaft verstanden, Libussa von den Tschechen. Du drohst mir mit deinem Sohn,
den die Christen zu einem Kuttenträger erzogen haben. Doch noch will ich keinen
Kampf, denn ich hoffe, er wird sich verhindern lassen.“
    Dann wandte er
sich um. Sein Adlerblick glitt über die Anwesenden, um sich der Wirkung seines
Auftritts zu versichern. Seine Aufmachung zeugte von sorgfältiger Vorbereitung.
Das lange Haar war auf dem Kopf zu einer Art Turm hochgebunden, wie bei manchen
heidnischen Kriegern üblich. Die purpurrote Tunika stand ihm aufgrund seiner
dunklen Haare und Augen hervorragend. Goldfäden am Saum zeugten von Wohlstand,
ebenso wie die silberne Gürtelschnalle. Langschwert, Dolch und Kampfaxt waren
auf Hochglanz poliert, um seinen Auftritt als kampferprobter Krieger zu
unterstreichen. Radegund spürte den starken Willen, der von diesem Mann ausging
und der sie zu packen und zu unterwerfen schien. Dabei rieselte ein wohliger
Schauer durch ihren Körper. Sie bemerkte das zufriedene Grinsen Slavoniks und
hatte auf einmal den Wunsch, die dunklen Augen aus seinem Raubvogelgesicht zu
kratzen, weil er Lidomir beleidigt hatte.
     
    Libussa nahm den Kopfputz ab und
wusch ihr Gesicht. Es ärgerte sie, dass Slavoniks Benehmen sie zum Schwitzen
gebracht hatte, doch seit der Ereignisse in Verden fürchtete sie sich vor jeder
Möglichkeit einer kriegerischen Auseinandersetzung. Wenn sie gegen die Kroaten
kämpfte, dann wäre es für den Frankenkönig die beste Gelegenheit, das Gebiet
der Behaimen anzugreifen. Und wo war Krok? Was würde sie tun, wenn er
tatsächlich nicht von dem Feldzug gegen die Awaren zurückkehrte? Ein neuer
Stammesführer müsste gewählt werden.

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