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Die Träume der Libussa (German Edition)

Die Träume der Libussa (German Edition)

Titel: Die Träume der Libussa (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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Lidomir? Der heimgekehrte Sohn war ihr
fremd geworden, auch wenn sie ihn liebte. Zudem kannten die Krieger ihn zu
wenig, um ihn als Anführer anzuerkennen. Mnata – es bliebe nur Mnata.
    Sie forderte
Hedwig auf, ihn zu holen. Der Anblick seines braunen Gesichts mit den schräg
gestellten Augen beruhigte sie. Mnata schien unerschütterlich wie ein Fels, der
den stärksten Stürmen standhalten konnte.
    „Setz dich.
Trink einen Becher Met mit mir.“
    Er nahm das
Angebot staunend an, denn er wusste wohl, dass sie tagsüber am liebsten Wasser
trank.
    „Du hast nun
bereits einige Zeit mit Lidomir verbracht. Was für einen Eindruck macht er auf
dich?“
    Mnata sah
ratlos aus. „Er wirkt freundlich. Doch es ist schwer, jemand einzuschätzen,
wenn man sich von einem Kind verabschiedet hat und Jahre später einen jungen
Mann vor sich sieht. Ich glaube, er ist froh, wieder bei uns zu sein. Wir
müssen ihm Zeit geben.“
    Libussa nickte.
„So sehe ich das auch. Bisher hatte ich nicht viel Gelegenheit, mit ihm zu
sprechen, um zu erfahren, wie er im Frankenreich aufgewachsen ist. Unsere
Sitten sind jetzt vielleicht verwirrend für ihn. Und Mnata", sie zögerte
mit einem unguten Gefühl im Bauch, das aber keine neuen Schmerzen auslöste,
„wie findest du dieses Mädchen, das mit ihm gekommen ist? Du hast sie hierher
begleitet und in der Festung herumgeführt.“
    Mnata senkte
den Blick. „Ich möchte nicht schlecht von ihr reden", murmelte er zögernd.
„Ich kenne sie kaum. Sie ist sehr hübsch, doch mir würde sie nicht gefallen.“
    Die Frage nach
dem Warum brauchte Libussa nicht auszusprechen, denn Mnata machte ein gequält
nachdenkliches Gesicht. „Sie bemüht sich, etwas darzustellen, das sie gern
wäre. Die meiste Zeit wirkt sie unzufrieden. Sie scheint ständig Angst zu
haben, man würde ihr nicht genug Aufmerksamkeit schenken", erklärte er
dann.
    Libussa zuckte
mit den Schultern. So schlimm klang das alles nicht. „Sie fühlt sich unsicher
in der fremden Umgebung. Wer wäre das nicht an ihrer Stelle? Wir müssen ihr
klar machen, dass sie bei uns willkommen ist. Dann beruhigt sie sich schon.“
    Dann wagte sie
sich allmählich zu dem wichtigsten Thema vor. „Mnata, du hast die meiste Zeit
deines Lebens bei unserem Volk verbracht. Alle unsere Sitten sind dir vertraut.
Könntest du dir vorstellen, unter Umständen eines Tages Kroks Nachfolger zu
sein?“
    Die schräg
gestellten Augen wurden rund vor Staunen. „Ich? Ich kam als Fremder hierher.
Lidomir ist dein Sohn. Kroks Amt steht ihm zu", wehrte er ab. Libussa
hatte selber plötzlich das Gefühl, ihren leiblichen Sohn zu verraten.
    „Ich weiß
nicht, ob die Leute Lidomir annehmen würden", erklärte sie. „Er war zu
lange fort. Dich kennt man. Du bist ein hervorragender Krieger, ehrlich und
loyal. Jeder weiß das. Vlasta steht hinter dir und sie genießt großes Ansehen.
Lidomir muss all dies erst gewinnen. Das braucht Zeit, die wir vielleicht nicht
haben. Sollte Krok nicht zurückkehren, scheint es mir vernünftiger, dich als
neuen Stammesführer vorzuschlagen. Bei Lidomir gäbe es wahrscheinlich
Widerstand, doch wir dürfen uns keine innere Zerrissenheit erlauben. Als ich
dich damals in den Clan aufnahm, da wurdest auch du mein Sohn.“
    Mnatas
Hunnengesicht blickte sie strahlend an, als brenne eine Fackel hinter ihm. „Ich
danke dir für dein Lob, Libussa.“
    Sie fragte
sich, warum er sie nur selten Mutter nannte. War tief in ihm noch die
Erinnerung an eine unbekannte Frau, die ihn geboren hatte?
    „Doch warum
meinst du, Krok würde nicht zurückkehren?“, fuhr er sogleich fort. „Gibt es
schlechte Nachrichten?“
    Sie bemerkte,
wie er die Zähne zusammenpresste. Kroks Anerkennung hatte ihm viel bedeutet.
    „Nein. Ich gehe
nur von einer Möglichkeit aus", sagte sie zur Beruhigung. Mnatas Gesicht
entspannte sich etwas.
    Als der junge
Mann den Raum verlassen hatte, sank sie erleichtert auf ihren Stuhl. Mnata wäre
zweifellos in der Lage, ihre Krieger anzuführen. Doch sie wusste nicht, wie
Lidomir es aufnehmen würde, von ihm in den Schatten gestellt zu werden. Sie
wusste überhaupt zu wenig über ihren Sohn, der in der Fremde aufgewachsen war.
Vielleicht sollte sie auch mit ihm die Lage besprechen, bevor sie eine
endgültige Entscheidung traf.
     
    Lidomir folgte ihrer Einladung
ebenso wie Mnata es getan hatte, aber sie fühlte sich befangener in seiner
Gegenwart als mit Mnata. Zunächst war die Freude über seine Rückkehr wie ein
Rausch gewesen, nun

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