Die Träume der Libussa (German Edition)
aufzusuchen.
„Es gibt kaum
einen Grund zur Sorge, Libussa", redete ihr Premysl gut zu, als er nach
Einbruch der Dunkelheit neben ihr auf der Bettstatt lag. „Du hast Krok gehört.
Der Fall ist eindeutig. Slavonik ist zu weit gegangen und muss mit dem Angriff
aller anderen Stämme rechnen.“
Libussa
streckte sich beruhigt aus. Der Schmerz in ihrem Bauch war vergangen, und sie
hatte ihn sogleich vergessen, wie sie es sich in letzter Zeit angewöhnt hatte.
„Jana erzählt,
Slavonik hätte sich fränkische Schwerter besorgt. Das bedeutet, er ist auf einen
Angriff vorbereitet.“
„Schon
möglich", stimmte Premysl zu. „Doch er hat nicht mit Janas Flucht
gerechnet. Vermutlich wollte er zunächst Verbündete finden, bevor er sich offen
gegen dich stellt. Jana hat uns allen einen großen Gefallen erwiesen, dass sie
hier aufgetaucht ist und uns auf die Gefahr aufmerksam gemacht hat.“
Libussa sehnt
sich danach, ebenso zuversichtlich sein zu können wie er. Was war, wenn
Slavonik Hilfe von anderen Völkern bekam?
„Würdest du
wieder mit den Kriegern ziehen?“, fragte sie. Premysl schwieg lange.
„Ich habe
begriffen, dass ich hier nicht als dein Gefährte leben und mich aus allem
heraushalten kann", erklärte er schließlich. „Das Kämpfen ist nun einmal
eine Angelegenheit der Männer, von einigen Frauen wie Vlasta abgesehen. In
einer vollkommenen Welt wäre es nicht notwendig, doch leider leben wir im Hier
und Jetzt.“
Libussa
fröstelte. „So redest du nach deiner Erfahrung in Verden?“
„Verden war ein
Fehler", gab Premysl zu. „Wir waren nicht gut genug vorbereitet und
rannten in unser Unglück. Doch dieser Fall liegt anders. Slavonik hat die
Krieger der Kroaten und Zlicany, aber wir sind in der Überzahl.“
„Das waren wir
auch bei Tyr. Du hast damals eine andere Lösung gefunden", erinnerte ihn
Libussa und rieb sich aus alter Gewohnheit nachdenklich die Schläfen. Der
Kopfschmerz plagte sie schon seit vielen Jahren nicht mehr. Er war nach der
Niederlage in Verden gemeinsam mit ihrer Todessehnsucht verschwunden. Doch
dieses andere Übel in ihrem Unterleib, das schien ihr manchmal noch beängstigender
...
Sie riss sich
zusammen, denn die Lage war zu dringlich, als dass sie über ihr eigenes Leiden
hätte nachgrübeln können.
Premysl griff
ihre Überlegungen auf. „Du hast Recht, bei Tyr war eine andere Lösung möglich.
Ich wusste, dass er keine echte Loyalität zu wecken verstand. Aber wie ist es
mit Slavonik? Du kennst ihn doch seit Kindertagen, Libussa."
Slavonik, der
eitle, gut aussehende Krieger. Janas Flucht musste ihn zornig machen, denn sie
zerstörte seine Pläne und war zudem eine krasse Abfuhr. Doch verbarg sich bei
ihm hinter einer derartigen Gier nach Anerkennung nicht eine tiefe
Unsicherheit?
„Es muss eine
Schwachstelle bei ihm geben, wo ich ihn ohne Waffen angreifen kann“, überlegte
Libussa laut. In ihrem Kopf herrschte Nebel und Verwirrung, doch dahinter
meinte sie Licht zu erkennen. Es war nur eine Frage der Zeit. Sie würde eine
Lösung finden. Entschlossen richtete sie sich auf. „Ziehe mit den Kriegern nach
Kourim, Premysl. Aber bitte beachte meinen Wunsch. Ich möchte, dass Slavonik
nach Praha gebracht wird. Er hat gegen unsere Regeln verstoßen, und es wird zu
einem Urteil kommen. Er darf aber keinesfalls getötet werden, denn das würde
seine Anhänger gegen mich aufbringen. Ermahne Krok, darauf zu achten, dass
Slavonik kein Leid geschieht. In Verden hat mein Onkel Achtung vor dir
bekommen.“
Sie sank wieder
auf die Strohmatte zurück und schloss erschöpft die Augen.
„Ich werde tun,
was du verlangst, Fürstin", murmelte die vertraute Männerstimme mit
zärtlichem Spott. Premysls Arme umschlangen sie und ihre Anspannung ließ nach.
„Du siehst ausgezehrt aus in letzter Zeit. Ich mache mir Sorgen um dich,
Libussa.“
Seine Worte
drangen leise an ihr Ohr, bevor sie in einen erlösenden Schlaf versank.
4
Zwei Wochen später kehrten die
Krieger mit dem Kroatenfürsten zurück. Er ritt aufrecht auf seinem Pferd und
trug keine Fesseln, doch Radegund ahnte, dass er nicht freiwillig gekommen war.
Diese Erkenntnis enttäuschte sie, auch wenn sie keinen Grund dafür sah.
Erneut fand
eine Versammlung in dem großen Saal statt, wo Fürstin Libussa geschmückt wie
eine heidnische Göttin auf ihrem hohen Stuhl saß.
Slavonik von
den Kroaten wurde vorgeführt. Er schien seinen Stolz nicht eingebüßt zu haben,
und ein spöttisches Lächeln umspielte
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