Die Träume der Libussa (German Edition)
sie
erfahren, wie es war, von einem geilen alten Bock gegen eine Mauer gedrückt zu
werden. Radegund floh vor ihren Erinnerungen und verließ rasch den Raum.
Libussa saß im großen Saal, um
die Ratsuchenden zu empfangen. Der Tag war bisher angenehm verlaufen. Seit
Jahren hatte sie keine Klagen mehr von Bauern gehört, dass irgendwo die alten
Regeln nicht eingehalten wurden. Sie genoss das Gefühl, ihre Familie vereint
und ihr Volk in Sicherheit zu wissen. Doch bei diesem Gedanken überkam sie
plötzlich Angst. Sie hatte die Erfahrung gemacht, dass ein Unglück oft in
Zeiten völligen Friedens als ungebetener Gast hereinplatzte. Kurz und heftig
spürte sie wieder einmal das vertraute Stechen in ihrem Bauch, doch es verging
gleich wieder.
Eine junge Frau
betrat in Begleitung mehrerer Krieger den Saal. Ihr Gesicht schien Libussa
vertraut, aber sie konnte es nicht zuordnen. Diese breiten Wangenknochen und
das dunkelblonde Haar, und dann die kleine, gedrungene Gestalt, sie sah aus wie
...
„Ich bin Jana
von den Zlicany, Drahomiras Schwester", half das Mädchen Libussas
Gedächtnis nach. „Ich grüße dich, Hohe Priesterin und Fürstin der Tschechen.“
Sie neigte
ehrfurchtsvoll den Kopf.
„Willkommen in
Praha", sagte Libussa und fragte sich, warum diese wohlerzogene junge Frau
eine ungute Ahnung in ihr weckte. „Ich bin froh, dich wieder zu sehen. Als ich
dich zum letzten Mal traf, warst du noch ein kleines Kind.“
Jana nickte.
„Ich kann mich nicht an dich erinnern, doch ich weiß, du bist eine Frau, die
unsere alten Sitten achtet. Deshalb komme ich und bitte dich um deinen Rat.“
„Und was ist
dein Anliegen?“, Libussa fühlte eine völlige innere Ruhe, wie sie oft den
stürmischen Zeiten vorausging.
„Es geht um
Slavonik von den Kroaten, den Gefährten meiner verstorbenen Schwester. Du hast
ihn mir als männliches Oberhaupt meines Stammes zur Seite gestellt, da ich
weder Onkel noch Bruder habe. Als solchen bin ich bereit, ihn anzuerkennen.
Doch er verletzt alle Regeln.“
Libussa krallte
ihre Finger um die Stuhllehne. „In welcher Weise tut er das?“
Jana stieß
einen Seufzer aus. „Meine Schwester Drahomira hörte in allen Dingen auf unseren
Bruder Hostivit, solange er lebte. Nach seinem Tod übernahm Slavonik diese
Rolle. Drahomira war anschließend nur noch nach außen hin Fürstin der Zlicany
auf Kourim, denn ihr Gefährte sagte ihr, wie sie sich zu verhalten hatte.
Ebenso in seinem eigenen Stamm. Seine Mutter ließ sich von ihm keine
Vorschriften machen, doch nun ist sie tot, und es gibt nur noch Sylva, die
ihren Bruder Slavonik anbetet. Er führt sich auf wie ein Alleinherrscher. Mir
wirft er vor, ich sei ein ahnungsloses kleines Mädchen, und wenn ich
Entscheidungen treffe, so widerspricht er mir und erteilt seine eigenen
Befehle.“
„Um welche
Entscheidungen geht es dabei?“
„Um
Nachfolgeregelungen. Slavonik meint, es sei an der Zeit, dass bei uns wie in
anderen Völker die Söhne erben. Er will die Dörfer allein unter männliche Obhut
stellen. Außerdem habe ich den Verdacht, dass er einige unserer Bauern einem
Sklavenhändler übergeben hat, zum Tausch gegen fränkische Schwerter. Und mir gegenüber,
da ...“ Jana verstummte und ihr Blick wurde starr.
„Was ist mit
dir?“, drängte Libussa sie.
„Er meint, wir
könnten unsere Stämme wieder vereinen, indem ich seine Gefährtin werde, so wie
früher Drahomira. Doch ich mag ihn nicht. Er ist so hochmütig und unbeherrscht.
In letzter Zeit, da ist er zudringlich geworden. Deshalb bin ich geflohen. Ich
bitte um deinen Rat und Schutz, Hohe Priesterin.“
Libussa erhob
sich. „Beides steht dir zu. Doch weshalb musstest du fliehen? Deine eigenen
Krieger hätten dich gegen Slavonik verteidigen müssen.“
Jana senkte den
Kopf. „Sie sind es gewöhnt, auf Slavonik zu hören, und achten ihn sehr. Nur ein
paar von ihnen verhalfen mir zur Flucht. Ich möchte die Fürstin meines Stammes
sein, aber sollte es mir nicht gelingen, dies durchzusetzen, so bitte ich
darum, in Praha bleiben zu können.“
„Wir werden
dein Recht durchsetzen", verkündete Libussa empört. „Ich werde mich mit
dem Stammesführer Krok und seinen Kriegern beraten. Slavonik verstößt gegen
unsere Sitten und muss die Folgen zu spüren bekommen.“
Sie übergab
Jana Hedwigs Obhut und ging entschlossen hinaus. Erneut überwältigte sie der
stechende Schmerz, diesmal ausdauernder. Doch sie hatte nun Wichtigeres zu
erledigen, als deshalb Kazi
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