Die Träume der Libussa (German Edition)
macht!“
Den nächsten Tag verschliefen die
meisten Gäste, es wurde ohnehin kaum hell. Dann ließ Libussa Tyrs Leichnam
öffentlich verbrennen, und die Siegesfeiern wurden fortgesetzt. Thetka, nun
frisch frisiert und in eines ihren eigenen Gewänder gekleidet, das ihre Figur
vorteilhafter zur Geltung brachte, strahlte noch einige Tage im Licht der
allgemeinen Aufmerksamkeit. Eric hing an ihr wie ein Schatten. „Ich folgte Tyr,
weil er mein Herr war“, erzählte er Libussa eines Abends beim Gelage. Er
beherrschte die Sprache der Behaimen einigermaßen, doch klang sie aus seinem
Mund leicht hölzern. „Überall, wo wir uns verdingten, schlug uns bald Hass
entgegen, und dann vertrieb man uns. Das wäre wahrscheinlich auch dort
geschehen. Aber jeder Mann sehnt sich irgendwann nach einem Zuhause. Und dazu
gehört eine Frau.“
Libussa nickte.
Der Junge schien gutmütig, und er betete Thetka an. Sein wohlgeformter Körper
versöhnte ihre Schwester vermutlich mit der Tatsache, dass Eric wohl nicht der
der Allerschlauste war. Doch nur mit einem solchen Mann würde Thetka auf Dauer
auskommen. Eine Verbindung zwischen ihr und Slavonik, das wäre, als sperrte man
einen Jagdhund mit einer Wildkatze zusammen.
Als allmählich wieder Alltag
einkehrte und sich die Gemüter beruhigt hatten, schien es Libussa an der Zeit,
die Nachfolgeregelung bei den Lemuzi anzugehen. Ludmilla hatte sich wie bisher
meist in ihrer Kammer aufgehalten. Manchmal besuchten ihre Brüder sie dort,
doch das Verhältnis unter den Geschwistern schien nicht gerade herzlich.
Nun hatten sich
alle wieder im großen Saal versammelt. Diesmal, auf Libussas ausdrücklichen
Wunsch hin, war auch Ludmilla anwesend. Leichenblass und still saß sie im
Hintergrund. Nach einigem Murren hatte selbst Kazi versprochen zu erscheinen.
Libussa
begrüßte die Gäste in aller Form und hob wieder den Stab der Fürstin, um
anzudeuten, dass nun etwas Wichtigeres als eine weitere Feier stattfinden
sollte. Alle Blicke waren auf sie gerichtet, als sie zum Reden ansetzte. „Nun,
da Tyr besiegt ist und wieder Frieden in unseren Ländern herrscht, muss dafür
gesorgt werden, dass er erhalten bleibt. Olga von den Lemuzi ist tot. Ihre
Familie wird in Zabrusany angemessen um sie trauern können. Doch es ist bisher
nicht geklärt, wer ihre Nachfolge antreten soll.“
Sie machte eine
kurze Pause, um die Wirkung ihrer Rede abzuwarten. Einige Blicke waren nun auf
Ludmilla gerichtet, die in sich zusammensackte. Vojtan schüttelte den Kopf und
flüsterte Neklan etwas ins Ohr.
„Olgas Tochter
Ludmilla ist nicht willens, die Rolle ihrer Mutter einzunehmen. Das hat sie mir
persönlich gesagt, und wenn sie möchte, kann sie dies hier nochmals
wiederholen.“
Aber Ludmilla
wollte nicht sprechen. Sie beschränkte sich auf ein Nicken.
„In diesem Fall
können wir entsprechend den Wünschen Olgas handeln. Sie plante, ihre Söhne
Vojtan und Neklan gemeinsam über Zabrusany und das Gebiet der Lemuzi herrschen
zu lassen. Wenn die beiden es für ratsam halten, können sie sich das Land auch
aufteilen. Diese Absprache sollten sie untereinander treffen und uns
anschließend mitteilen, wie sie sich entschieden haben.“
Libussa
richtete ihre Augen abwartend auf Olgas Söhne. Vojtan wirkte in der Tat erleichtert.
Nur Neklan blickte weiterhin mürrisch drein. „Das entspricht nicht unseren
Sitten. Ludmilla ist die Mutter ihres Landes. Ihre Brüder können ihr dabei nur
zur Seite stehen“, warf Lecho ein. Radka nickte zustimmend.
„Manchmal, wenn
die Umstände es erfordern, muss mit einigen Sitten gebrochen werden“, erklärte
Libussa entschieden. „Warum ein Mädchen zu einer Aufgabe zwingen, der sie sich
nicht gewachsen fühlt? Bei den Zlicany wurde ebenfalls eine Ausnahme gemacht.“
„Das ist nur
eine vorübergehende Lösung“, kam es erneut von Lecho. „Es gab damals kein
erwachsenes Mädchen. Hostivits Schwester ist noch ein kleines Kind. Sobald sie
alt genug ist, wird er abtreten.“
Die Blicke der
Gäste wanderten nun zu dem Zlicany-Fürsten. Er nickte, wenn auch etwas zögernd.
Libussa hatte das unangenehme Gefühl, dass er eines Tages Schwierigkeiten
machen würde. Aber bis dahin war noch viel Zeit.
„Zwei männliche
Herrscher, das bringt die Nachfolgeregelung nur durcheinander“, rief Radka.
„Wer soll ihnen folgen? Bei einer Frau steht die Blutsverwandtschaft mit ihren
Kindern außer Frage. Aber wie soll man Vaterschaft beweisen? Am Ende fängt man
hier noch an, uns
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