Die Träume der Libussa (German Edition)
droht. Aber ihr Behaimen unterwerft euch einer zauberhaften
Rusalka, die besser über taufrische Wiesen springen sollte, als hier den Stab
eines Fürsten zu schwingen.“
Es gab einige
Lacher, aber auch viele Rufe der Empörung.
„Schafft diesen
unverschämten Bauerntrampel hinaus und verpasst ihm eine Tracht Prügel“, schrie
Lecho zornig. Zwei seiner Krieger wollten den alten Mann packen, doch Slavonik
fuhr dazwischen.
„Verrate mir,
Lecho von den Lukanern, warum sollen wir einen Bauerntrampel hier im großen
Saal anhören und den nächsten hinauswerfen? Sagte Libussa von den Tschechen
nicht gerade, wie viel Achtung wir den Bauern schulden?“
Das Lachen
wurde lauter.
„Der erste
Bauer hat wie ein vernünftiger Mensch gesprochen. Er beleidigte unsere Sitten
nicht“, erklärte Radka. „Doch so wie dieser alte Mann dürfte auch ein Krieger
oder Fürst sich nicht ungestraft äußern.“ Ihre Rede sorgte für zustimmendes
Gemurmel. Libussa atmete erleichtert auf. Die Worte des Mannes waren ein Schlag
ins Gesicht gewesen.
„Er sprach
ungehobelt, wie es eben die Art von Bauern ist“, erklang auf einmal die Stimme Hostivits
von den Zlicany. „Aber ich finde, was er sagte, hat Hand und Fuß. Bedenkt, in
welcher Gefahr wir bis vor kurzem schwebten. Die Götter waren uns gewogen und
die Gefahr ging vorüber, ohne dass wir zu Schaden kamen. Doch was, wenn die
Mähren Tyr tatsächlich zu Hilfe gekommen wären? Hätte ein liebenswürdiges
Mädchen vermocht, ihn zu besiegen?“
Radka sprang
zornig auf. „Was willst du damit sagen? Dass eine Frau nicht herrschen kann?“,
rief sie. „Ich tue es schon eine ganze Weile. Meine Mutter tat es vor mir. Ich
kann mich nicht erinnern, dass sich jemand beschwert hätte.“
„Du hast deinen
Bruder an deiner Seite“, meinte nun Vojtan. „Er hilft dir, wenn es um
Männersachen wie Kriege geht.“
„Willst du mich
herausfordern, du aufgeblasener Schwätzer?“
Radka hatte
ihren Dolch gezogen, doch Lecho legte ihr beruhigend seine Hand auf den Arm.
„Das ist nicht der richtige Augenblick. In diesem Saal sollen keine Kämpfe
stattfinden“, mahnte er. Dann schlug er mit der Hand auf den Tisch, um sich
Gehör zu verschaffen.
„Libussa mag
noch jung und unerfahren sein. Aber sie ist unsere Hohe Priesterin und Fürstin
der Tschechen. Das war der Wille der Götter. Sie hat die schwierige Lage gut
gemeistert. Im Übrigen steht ihr der Stammesführer Krok zur Seite, so wie ich
meiner Schwester Radka.“
„Krok ist
dauernd auf Reisen. So wie jetzt, im Land der Polanen. Er treibt sich in der
Welt herum, um ständig mit jemand zu verhandeln. Als wir in Gefahr schwebten,
da war er nicht zur Stelle. Außerdem ist er nicht mehr der Jüngste. Neulich hätte
ihn fast ein Fieber umgebracht.“
Slavonik, du Verräter, dachte
Libussa. Aber sie wusste, dass Empörung jetzt nicht angebracht war. Sie musste
ruhig bleiben und überzeugende Gründe für einen Widerspruch finden. „Unser
Stammesführer will uns vor Angriffen schützen, indem er mit unseren Nachbarn
verhandelt“, begann sie. „Dank ihm bekommen wir eine Ahnung, was jenseits
unserer Berge in der Welt vorgeht. Ein Fieber kann auch einen jungen Menschen
töten.“
„Aber meist
sterben die Älteren früher“, mischte sich nun auch Neklan ein. „Was ist, wenn
wir Krok verlieren? Es gibt keinen Sohn bei den Tschechen, der seine Nachfolge
antreten könnte. Was hier fehlt, ist die ein Mann mit Verantwortung. Libussa
mag weiterhin den Titel der Fürstin tragen und unsere Hohe Priesterin bleiben.
Doch es ist notwendig, dass sie sich baldmöglichst einen Gefährten nimmt.“
Nun nahm das
zustimmende Gemurmel überhand. Libussa hielt sich am Tisch fest. Mauern
schienen auf sie einzustürzen. Durch den Nebel ihrer Verstörtheit erblickte sie
das Funkeln von Thetkas Augen. „Jetzt sag endlich etwas. Wehre dich!“, drängte
sie.
Libussa hob den
Kopf und sah direkt in Slavoniks triumphierendes Gesicht. Sie hatten es
geplant. Alle zusammen. Vojtan, Neklan, Hostivit und wer weiß noch wie viele
andere. Slavonik hatte die anderen Männer vermutlich dazu angestiftet. Sie
sollten Libussa dazu drängen, ihn zum Gefährten zu wählen, obwohl der
Gefährte einer Fürstin eigentlich nur in Ausnahmefällen Macht und Einfluss über
ihr Volk besessen hatte. Doch sie vermutete, dass Slavonik und seine Anhänger
meinten, es sei nun an der Zeit, dies zu ändern und sich den Sitten
benachbarter Völker anzupassen, wo der Gemahl einer
Weitere Kostenlose Bücher