Die Träume der Libussa (German Edition)
sich ihre Gefährten selbst zu wählen. Deshalb
musst du meine Entscheidung hinnehmen. Du bist unser Stammesführer, aber ich
bin jetzt Fürstin und Hohe Priesterin. Niemand darf mir Befehle erteilen.“
Krok sah sie
an, als hätte sie sich in eine Fremde verwandelt. „Du hast ein altes, heiliges
Ritual missbraucht, um deinen eigenen Kopf durchzusetzen. So verhält sich keine
Hohe Priesterin, sondern ein launisches, verwöhntes Mädchen. Du sprichst von
deinen Rechten, aber hast deine Pflichten völlig vergessen“, donnerte seine
Stimme auf sie nieder.
„So ist es,
Krok von den Tschechen“, mischte sich Neklan plötzlich ein. „Libussa hat ein
Ritual für ihre Zwecke benutzt, aber sie vergaß, wie es ausgeht. Hast du nicht
auch einmal die Geschichte von der großen Göttin und ihrem Auserwählten
gehört?“
Libussas Atmung
setzte einen Augenblick aus. Das Ritual war nicht derart in Vergessenheit
geraten, wie sie gedacht hatte.
„Worauf willst
du hinaus, Neklan?“, murmelte Krok. Libussa stellte mit Erleichterung fest,
dass ihm die Opferung des Jünglings wohl unbekannt war.
„Dieser Premysl
wurde dir in den schönsten Farben beschrieben, aber in Wahrheit ist er ein
Bauer, der seinen Platz in der Welt nicht kennt. Hätte er es sonst gewagt, um
eine Fürstin zu werben? Bei uns sorgte er für Unruhe. Er ist gefährlich. Wir
können ihn beseitigen, indem wir das gesamte Ritual vollziehen. Der Auserwählte
der Königin musste sterben für das Wohl seines Volkes.“
Kroks
fassungsloses Gesicht erinnerte Libussa daran, dass ihr Onkel kein grausamer
Mensch war. Als er sich in seiner ganzen Größe vor Neklan aufbaute, begriff
sie, welchen Gefallen ihr der Widersacher ungewollt getan hatte. „Ich hatte dir
nicht das Recht gegeben, zu sprechen, Neklan von den Lemuzi. Das war eine
Angelegenheit unseres Clans. Wenn Libussa sich weigert, diese Verbindung wieder
aufzulösen dann ... dann ...“
Er stampfte mit
dem Fuß auf. „Dann muss ich es hinnehmen. Auch wenn ich es nicht gutheiße. Mit
der Zeit wird sie schon zur Vernunft kommen. Der Bauer soll bleiben, bis er
durch einen geeigneteren Mann ersetzt wird. Und jetzt gehe, Neklan, denn es
fällt mir schwer, meine Hände von deinem feigen Hals zu lassen.“
Neklan verließ
schweigend den Raum.
„Ich danke dir,
Onkel“, murmelte Libussa.
Sein zorniger
Blick machte ihr klar, dass er ihr noch lange nicht verziehen hatte.
4
Es war ein milder Spätsommertag.
Als Libussa mit Premysl von ihrem gemeinsamen Ausritt zurückkam, sah sie Krok
mit zwei seiner Krieger beim Würfelspiel sitzen. Auf das Drängen Kazis hin
hatte er eine Weile auf seine Reisen verzichtet, um vollständig zu genesen.
Doch in den letzten Wochen war er immer unruhiger geworden, lief scheinbar
ziellos im Hof herum und herrschte grundlos Bedienstete an, wofür er sich
später schämte. Sie wusste, dass es ihn wieder in die Ferne zog. Es war nur
eine Frage der Zeit, bis er aufbrach.
Premysl brachte
die Pferde selbst in den Stall. Er weigerte sich weiterhin, die Dienste der
Knechte und Mägde anzunehmen. Nur, wenn Libussa, eine ihrer Schwestern oder
Krok zugegen waren, duldete er, dass auch ihm das Essen gebracht und der Tisch
nach ihm aufgeräumt wurde. Ansonsten war er oft in vertrauten Gesprächen mit
dem einfachen Volk zu sehen. Zunächst hatten die Knechte und Mägde ihn als
merkwürdig empfunden, doch als die Wochen vergingen und der Sommer ins Land
zog, da war Premysl in Chrasten bereits eine vertraute Erscheinung.
Krok duldete
ihn. Libussa wusste, dass ihr Onkel die alten Sitten ihres Volkes zu sehr
achtete, um einer Frau Vorschriften bei der Wahl ihres Gefährten zu machen.
Doch sein Missfallen äußerte sich immer wieder Anspielungen auf Premysls
Weigerung, sich wie ein Mitglied einer fürstlichen Familie zu kleiden und durch
missbilligende Blicke, wenn er beobachtete, dass Premysl mit den Stallburschen
plauderte. Dabei legte der Stammesführer selbst Wert auf guten Umgang mit
seinen Bediensteten. Libussa erinnerte sich auch an das verärgerte Gesicht
ihres Onkels nach dem letzten Kupala-Fest. Während sogar Thetka und Eric sich
bei dieser Gelegenheit andere Partner wählten, hatte sie zusammen mit Premysl
die vertraute Stelle im Wald aufgesucht. Es wäre ihr vor wie ein Verrat am
Willen der Götter vorgekommen, wie eine Schändung ihres eigenen Körpers, die
heilige Hochzeit mit einem anderen Mann zu vollziehen. Sie konnte jedoch nicht
erwarten, dass Krok das
Weitere Kostenlose Bücher