Die Träume der Libussa (German Edition)
die Hände. „Ich wollte keine Menschen kaufen. Du hingegen schon, obwohl
ich es verboten hatte.“
Kazis Gesicht
blieb unergründlich. „Willst du mich jetzt dafür strafen?“, fragte sie nur.
Libussa fühlte
sich hilflos in ihrem Zorn.
„Warum hast du
das getan, Kazi?“, fragte Premysl vollkommen ruhig.
„Weil ich mir
eine Tochter wünsche und keine bekommen habe. Ich bin Heilerin. Bei unserem
Volk lag die Ausübung dieser Kunst schon immer in den Händen von Frauen. Ich
brauche ein Mädchen, dem ich meine Kenntnisse vermitteln kann. So ist es eben.“
„Du wolltest
einer anderen Frau ihr Kind wegnehmen.“ Libussa war die Lautstärke ihrer
eigenen Stimme unangenehm. Sie hatte Kazi noch nie im Leben angeschrieen.
„Das Kind hätte
man ihr früher oder später ohnehin weggenommen. Es wäre verkauft worden und wer
weiß, an wen. Diese schwarze Frau, sie sollte eigentlich froh sein, ihre
Tochter bei mir zu wissen. Ich werde ein angesehenes Mitglied unseres Volkes
aus ihr machen, denn das ist ihre Bestimmung. Wie ich schon sagte, ich sah
Tschastawa in meinen Träumen. Du kennst die Bedeutung solcher Träume, Libussa.
Es war mir nicht angenehm, das Kind zu kaufen. Ich erkannte den Schmerz in den
Augen seiner Mutter. Aber glaube mir, ich habe den Wunsch der Götter erfüllt
und werde einem kleinen Sklavenkind ein Leben ermöglichen, von dem seine
leibliche Mutter nicht einmal träumen konnte.“
Libussa atmete
tief und fühlte, wie der Zorn aus ihrem Körper wich. Kazi hatte Recht. Das
Mädchen wäre bei ihr gut aufgehoben, doch trotzdem war ein Unrecht geschehen.
Sie tat ein paar Atemzüge, um Ruhe zu finden. Plötzlich schien ihr klar, wie
sie zu entscheiden hatte.
„Du wolltest
das Mädchen wie eine Ware erwerben, doch die Götter haben es verhindert. Du
kannst es nicht von seiner Mutter trennen. Deshalb musst du beide zu dir nehmen
oder ganz verzichten“, meinte sie mit Entschiedenheit.
Kazis Gesicht
verfinsterte sich. „Du bist Fürstin und hast zu bestimmen“, murmelte sie
widerwillig. „Ich beuge mich deinen Wünschen. Aber erlaube mir, Praha zu
verlassen.“
Libussa stand
wie versteinert.
„Willst du zu
deinem Onkel nach Chrasten?“, hörte sie Premysls Stimme. Kazi schüttelte den
Kopf.
„Ich habe eine
Stelle gefunden, nicht allzu weit von hier. Am Ufer des Flusses Mec. Dort will
ich mir ein Haus bauen. Es gibt genug Leute, die meine Heilkünste schätzen. Ich
kann von ihren Gaben leben, ebenso wie meine Tochter, mein Sohn und ... und
jene Frau, die ich deinen Wünschen gemäß mitnehmen soll. Du kannst mir trauen,
Libussa. Ich werde für alle sorgen. Aber erlaube mir, mich zu entfernen. Als
Fürstin bist du mir zu anstrengend geworden.“
Ohne eine
Antwort abzuwarten, verließ sie den Raum. Libussa fühlte eine tiefe Leere in
ihrem Inneren, durch die eiskalter Wind blies. Ihr ganzes bisheriges Leben
hatte sie gemeinsam mit Kazi verbracht. Als sie am nächsten Morgen nach den
geflohenen Sklaven sehen wollte, hatte ihre Schwester mit der schwarzen Frau
und ihrem Kind die Festung bereits verlassen.
Am Ende des Tages betrachtete
Libussa den schlafenden Jungen. Sein pechschwarzes, dichtes Haar war wie die
Stacheln eines Igels. Nun, da man das Blut von seinem Gesicht gewaschen hatte,
wirkte er menschlicher.
„Glaubst du, er
ist von Grund auf bösartig?“, fragte sie. „Als er vorhin sprach, da klang er
klug für sein Alter.“ Premysl zuckte mit den Schultern.
„Jetzt sieht er
nur aus wie ein Kind. Die Awaren haben einst unsere Dörfer oft überfallen und
fielen dann über unsere Frauen her. Dadurch vermischte sich ihr Blut mit dem
unseren. Wäre es böse, dann müsste das Böse auch durch unsere Adern fließen.“
Sie streckte
ihre Hand aus, um die braune Haut zu berühren. Der Junge regte sich im Schlaf,
doch seine Augen blieben geschlossen.
„Was soll jetzt
aus ihm werden? Ich konnte ihn Kazi nicht auch noch mitgeben. Sie schien
verärgert genug.“
Premysl fuhr
sich mit der Hand durchs Haar. „Wir sollten ihn fortschicken. Vielleicht ins
Khaganat. Gelegentlich fahren Händler dorthin. Bei seinen Leuten müsste er
sicher sein. Hier gibt es immer noch viel Hass auf die Awaren. Ich habe mit
einigen der Bauern gesprochen. Sie wagen es nicht immer, offen mit dir zu
reden, aber die allgemeine Stimmung ist gegen die Anwesenheit dieses Kindes in
Praha. Die schwarze Frau macht die Leute eher neugierig, doch Awaren will man
hier nicht haben. Die meisten würden ihn am liebsten
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