Die Träume der Libussa (German Edition)
Tanz
den Männern“, erklärte er. Vlasta hatte sich darüber empört, dass sie als Frau
würde Eier bemalen müssen, nur um diese später herzugeben.
„Aber sie
schenken sie nicht irgendwelchen Männern, sondern jenen, die ihnen gefallen.
Mit denen kriechen sie anschließend in die Büsche. So werden Kinder gemacht,
kleiner Hunne. Fürstin Libussa ist eine Frau, mit der jeder Mann gern in einen
Busch springen würde. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie ihr eigenes Kind
bekommt. Dann hast du ausgedient, glaub mir. Überlege am Besten jetzt schon, wo
du dann hingehen wirst.“
Libussa beobachtete zufrieden,
wie die Menge durch das Tor zu den Dörfern zog. Allen voran ritt ein junger
Mann auf einem Pferd. Er repräsentierte Jarilo, den Gott der Fruchtbarkeit und
des Mondes, der nun wieder aus dem Totenreich zurückgekehrt war und um Morana
werben würde. Strohpuppen, die sie als alte Todesgöttin darstellten, waren in
jedem Dorf aufgestellt worden. Sobald Jarilo erschien, wurden sie angezündet,
um Morana aus ihrem greisen Körper zu befreien. Sie sollte in jugendlicher
Frische erblühen, so wie die Natur.
Singend und
geschmückte Zweige schwingend folgten die Leute dem Reiter. Libussa schritt
neben dem Pferd einher, begleitet von Premysl und Mnata. Es war ein warmer,
sonniger Tag, wie er für dieses Fest besser nicht hätte sein können. Die
kräftigen Stimmen der Sänger schwebten über Wald und Feld. In jedem Dorf sprach
Libussa ihren Segensspruch aus, um eine gute Ernte zu sichern. Sie nahm freudig
die zufriedenen Gesichter der Anwohner zur Kenntnis. Sogar Kazi, die für
Rituale und Zeremonien ebenso wenig übrig hatte wie Premysl, blickte entspannt
drein. Sie schien keinen Groll mehr gegen ihre jüngste Schwester zu hegen.
Libussa
beschloss, sich gut zu merken, wie glücklich sie an diesem Tag gewesen war, denn
sie hatte bereits gelernt, dass keine Zeit des Friedens ewig währte. Sie
streckte eine Hand nach Premysl aus und strich mit der anderen über Mnatas
schwarzes Igelhaar. Seltsamerweise wirkte der Junge bedrückt. Sie war davon
ausgegangen, dass der Weg durch die Dörfer und das Singen ihm gefallen würden,
doch er blickte beinahe so missmutig drein wie Vojen es meistens tat. Sie hatte
jetzt aber keine Gelegenheit, ihn nach dem Grund zu fragen.
Es dämmerte
bereits, als sie alle Dörfer der Umgebung durchquert hatten. Am Flussufer war
indessen aufgetischt worden, so dass mit dem Fest begonnen werden konnte. Kazi
brachte die Kinder zur Festung, sobald das Essen beendet war. Nun kam der Tanz.
Libussa wandte
sich Premysl zu. Andere Männer hatten es allmählich aufgegeben, sich ihr bei
diesen Feiern nähern zu wollen, so dass sie keine unerwünschten Bewerber mehr
abweisen musste. Sie nahm die mit Blumen und Bändern geschmückten Zweige an,
die er ihr überreichte, und gab ihm zum Tausch dafür die von ihm bemalten Eier.
Dann wirbelten sie zusammen mit den anderen Paaren beim Tanz über die Wiese.
Libussa hatte
ihre Sandalen abgestreift und spürte das frische Gras unter ihren Füßen. Es war
stiller geworden, so dass sie den Fluss rauschen hörte. Die meisten Paare waren
bereits in der Umgebung verschwunden. Keine heilige Hochzeit, nur ein Werben,
wurde an diesem Abend gefeiert, doch nutzten viele Leute bereits diese
Gelegenheit, um sich zu vergnügen.
Sie fühlte
Premysls Arm auf ihren Schultern. „Lass uns in den Wald gehen, so wie damals in
Staditz.“
Er führte sie
zu den Bäumen. Es war eine Stelle am Fluss, so wie früher, wo sie sich
niederließen. Libussa erinnerte sich an den bissigen, unsicheren Jungen, dem
sie einst gefolgt war. Sie schmiegte ihr Gesicht an das seine und fühlte einen
wohligen Schauer, als seine kratzige Handfläche sich unter ihr Kleid schob.
„Ich habe mit
der Hebamme gesprochen“, flüsterte sie in sein Ohr, bevor das Verlangen ihrer
beider Aufmerksamkeit ganz beanspruchte. „Und danach auch noch mit Kazi. Beide sind
sich sicher, dass ich schwanger bin.“
6
Acht Jahre waren ins Land
gezogen, für die Libussa den Göttern Dank schuldete. Ihr Leben hatte sich in
einen breiten, ruhigen Strom verwandelt, ganz wie die Vltava, die vor ihren
Augen vorbeifloss, wenn sie vom Wehrturm hinuntersah. Die Zeit der reißenden
Strudel und Stromschnellen lag lange zurück. Zufrieden tauchte sie nun frisch
gesponnenes Garn in mit Wasser gefüllte Holzeimer. Kveta hatte die Blüten und
Kräuter gesammelt, die anschließend zerrieben und zum Färben verwendet
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