Die Träume der Libussa (German Edition)
wurden.
Das große Fest des Gottes Perun würde bald stattfinden, und Libussa wollte
dabei ihre Kinder in leuchtenden Gewändern vorführen.
Eigentlich war
es nicht Perun, sondern Mokosch, die große Mutter, der sie ihr Lebensglück
verdankte, doch hatte sie ihre Gebete und Opfergaben an Mokoschs Schrein
bereits dargebracht, nachdem ihr der erste Sohn geboren wurde. Zwei Jahre
darauf folgte endlich die lang ersehnte Tochter und vertrieb die letzte dunkle
Wolke, die ihr Zusammenleben mit Premysl noch verdüstert hatte.
Der Kindersegen
trat vielleicht ein, weil ich das Richtige tat, als ich den kleinen Hunnen hier
aufnahm, dachte Libussa, doch es gab niemanden mehr, dem sie solche
Überlegungen noch mitteilen konnte. Die alte keltische Priesterin war vor einem
Jahr gestorben. Bei Libussas letztem Besuch hatte sie ihren Tod bereits
angekündigt und ihr den Eingang zu einer Höhle gezeigt, wo Frauen ihrer Art
sich zurückzogen, wenn die Göttin sie zu sich rief. Nur Eingeweihte wussten
davon. Libussa verstand diese Geste, ohne zu fragen. Auch ihr sollte der Weg in
diese Höhle eines Tages offen stehen. Doch bis dahin, so hoffte sie, war noch
viel Zeit. Sie suchte den Berg der Göttin nur noch selten auf. Die Nachfolgerin
ihrer langjährigen Vertrauten, ein junges Keltenmädchen, war eine Fremde für
sie und es fehlte ihr an der nötigen Muße, sie besser kennen zu lernen.
Sie deckte die
Eimer zu und wusch sich die Hände. Leuchtendes Blau, aus Färberwaid gewonnen,
sollte die Farbe des Garns sein, aus dem sie Gewänder für sich und ihre
dreijährige Tochter Scharka spann. Es passte zu ihrer beider Blondhaar. Mnata
hingegen brauchte eine kräftigere Farbe wie jene, die Kveta aus Karotten
gewann. Premysl beschränkte sich immer noch am liebsten auf das Braun der Bauern,
auch wenn er mittlerweile einige Stickereien duldete und seine Tunika mit einer
Silberfibel zusammenhielt. Sie würde den gemeinsamen Sohn Lidomir ähnlich
einkleiden, denn er schien ihr ein Ebenbild seines Vaters.
Nun sollte das
Garn bis zum nächsten Morgen in den Farbeeimern liegen. Libussa trat in den Hof
hinaus, um sich noch etwas die Zeit zu vertreiben, bevor die ersten Bittsteller
und Gäste zu ihr kamen. Sie fühlte das angenehme Brennen der Sommersonne auf
ihrer Haut. Premysl war hinunter zum Fluss gegangen, wo er warme Tage gern mit
Angeln und Schnitzen verbrachte. Sie überlegte, sich für eine Weile zu ihm zu
gesellen, und sah sich nach den Kindern um.
Mnata kam ihr
entgegen. Er hatte sich mit einigen Söhnen der ansässigen Handwerker
angefreundet, nachdem Vlasta als dauerhafte Spielgefährtin aus seinem Leben
verschwunden war. Thetka hatte gemeinsam mit Eric ihr eigenes Zuhause erbaut
und ihre Tochter mitgenommen. Im Gegensatz zu Kazi gab sie sich nicht mit einem
bescheidenen Heim zufrieden, sondern bestand auf einem großen Anwesen mit
Schutzwall, das sie Tetin nannte. Dort errichteten sie einen Schrein zu Ehren
eines nordischen Gottes, von dem Eric erzählt haben musste. Thetkas Gefährte
erfreute sich zunehmender Achtung bei den Kriegern, da er ihr Handwerk
hervorragend beherrschte. Krok vertraute bei der Ausbildung junger Männer nun
auf seine Hilfe. Dementsprechende Verehrung wurde auch seinem Gott zuteil,
nachdem Libussa ihre Genehmigung erteilt hatte, den neuen Kult einzuführen. Sie
wusste, wie sehr Thetka sich nach Anerkennung sehnte, und sah in einer neuen
Gottheit keine Gefahr für die Religion ihrer Vorfahren, die ein Fremdling nicht
so einfach verdrängen würde. Die Rolle der Priesterin einer kriegerischen
Gottheit stand Thetka wie ein prächtiges Gewand, das sie mit Freuden trug.
Mnata führte
Lidomir und Scharka mit sich. Die Nachricht ihrer ersten Schwangerschaft hatte
den Jungen damals in eine stumme Statue verwandelt. Erst als Premysl ihm
erzählte, dass Geschwister ebenso viel Freude wie Ärger bereiten konnten, wenn
man sich an ihre Gegenwart gewöhnt hatte, kam wieder ein Funken Leben in das
kleine Hunnengesicht. Lidomir nahm er hin, doch die kleine Scharka begeisterte
ihn, und er gefiel sich in der Rolle ihres Beschützers.
Alle erzählten
Libussa, die Tochter sei ihr wie aus dem Gesicht geschnitten. Sie fragte sich,
ob sie selbst einst ein derart zartes, schreckhaftes Kind gewesen war und
deshalb so oft besorgtes Stirnrunzeln bei ihrer Mutter hervorgerufen hatte.
Scharka schrie aus Leibeskräften, sobald sie sich allein gelassen fühlte oder
fremden Menschen vorgestellt wurde, und Libussa hatte Bedenken, ob
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