Die träumende Welt 02 - Das Schattenreich
unter Schmerzen hievte er sich aus dem Wasser und kroch auf den Felsen. Zu seiner Überraschung war das Gestein auf der anderen Seite warm, und er schmiegte sich dankbar daran.
Er betastete sein verletztes Bein. Gleich oberhalb des Knö chels befand sich eine Schwellung, und er konnte den Fuß nicht bewegen. Arden war sich zwar nicht sicher, aber alles deutete darauf hin, dass er sich das Schienbein gebrochen hatte.
Typisch, dachte er. Den mörderischen Sturz überlebe ich, und dann verletzte ich mich bei der vergleichsweise weichen Landung!
Dann fiel ihm auf, dass die Wildwasserrutsche, die ihn an diesen Ort gebracht hatte, unmöglich vollkommen natürlich sein konnte. Zwar konnte Wasser Felsen glätten, doch gewiss nicht in diesem ungeheuren Ausmaß. Die Windungen und Kurven waren fast so entworfen, dass ein Mann sich Hals über Kopf in Sicherheit bringen konnte - vorausgesetzt, er wusste, was ihn erwartete. Die Rampe schließlich, von der aus er in den unterirdischen See geschleudert worden war, erschien ihm viel zu perfekt, um ein Produkt des Zufalls zu sein.
Und doch: wer - oder was - hätte eine solch grandiose Rutsche bauen können? Kein Minenarbeiter in Ardens Welt wäre zu so etwas in der Lage.
Es war ein Rätsel, doch eines, das seinen Lebensgeistern Auftrieb gab. Er hatte viele Gefahren überstanden, seit er mit vierzehn Jahren in die Welt aufgebrochen war, und obwohl er um die Ausweglosigkeit seiner gegenwärtigen Lage wusste, so hatte er doch schon vor langer Zeit gelernt, die Hoffnung niemals aufzugeben. Er würde jede Anstrengung unternehmen, um aus diesem unterirdischen Gefängnis auszubrechen. Gründe hatte er sicher genug. Er hatte immer geglaubt, das Grausamste daran, in einer Schlacht zu sterben, sei die Ungewissheit über den Sieg der eigenen Seite. Hatte man sein Leben am Ende dem Sieg geopfert, oder war das Opfer umsonst gewesen? Sein Kampf war die Errettung des Tales gewesen, und er war zwar von ganzem Herzen überzeugt, dass dies gelungen war, doch er fand keine Ruhe, solange er den Beweis nicht mit eigenen Augen gesehen hatte.
Doch sein Hauptgrund war Gemma. Wenn sie ihren unglaublichen Flug überlebt hatte und es ihr tatsächlich gelungen war, für ihn den sprichwörtlichen Berg zu versetzen, dann war es sicher nicht zuviel verlangt, wenn er alles tat, um zu überleben und sie wiederzusehen.
»Wir sind füreinander bestimmt«, sagte er laut und schauderte, als er merkte, dass er sich nicht hören konnte. Er schüttelte den Kopf, um das Wasser aus den Ohren zu schleudern, doch die Stille blieb. Und das war schwerer zu akzeptieren als der stete pochende Schmerz in seinem Bein.
Um sich von seinem unvermuteten Gebrechen abzulenken, begann er seine Umgebung zu untersuchen, so gut es eben ging. Seine Augen hatten sich an das schwache Licht gewöhnt, und er konnte bestimmte Einzelheiten erkennen. Die Höhle war groß, doch der Sims, auf dem er lag, bildete nur einen Teil der Bodenfläche oberhalb der Wasserlinie. Die schwarze Tiefe sah undurchdringlich aus, doch die Oberfläche bewegte sich und blinkte kalt, als ein Kräuseln die Spiegelung der stecknadelkopfgroßen Lichter oben erfasste. Strömungen wirbelten und kreisten gemächlich, doch Arden konnte nicht erkennen, ob das Wasser floss oder ob es auf geheimnisvolle Kräfte reagierte. Der Fels unter ihm war uneben aber abgenutzt, und er fragte sich, ob das Wasser jemals seinen Platz überspülte. Die Vorstellung war alles andere als beruhigend.
Er wurde rasch schläfrig, und die Auswirkungen der Erschöpfung und des Schocks machten, zusammen mit der Wärme seines Ruheplatzes, die Vorstellung, sich bewegen zu müssen, zu einem äußerst unwillkommenen Gedanken.
Soweit er erkennen konnte, verlief der Sims in beiden Richtungen über die gesamte Breite der Höhle, doch ob er zu anderen Höhlen führte, auf Tunnel oder auf nackten Felsen stieß, war unmöglich festzustellen. Doch Arden war überzeugt, dass es einen Ausgang aus der Höhle geben musste. Die Luft schien durchaus frisch, und auch das Wasser musste schließlich irgendwohin. Das Loch, durch das er gestürzt war, konnte er gerade eben noch erkennen. Auf diesem Weg zurückzukehren war unmöglich, doch er tröstete sich damit, dass sich bestimmt noch mehr Wege finden ließen.
Wenn er den Kopf hob, konnte er undeutlich Streifen im Gestein erkennen, die die Quelle der Lichtfunken zu bilden schienen. Seltsame, umgedrehte Felsendorne hingen von der unsichtbaren Höhlendecke herab und
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