Die träumende Welt 02 - Das Schattenreich
zeigten wie gewaltige Finger auf ihn, während in gespenstischer Stille Wasser von ihnen herabtropfte. Selbst in seiner misslichen Lage wusste Arden die nur schlecht erkennbaren Wunder der Höhle zu würdigen und sehnte sich nach einer Lampe, mit der er sie hätte ausleuchten können.
Schließlich verbanden sich die Wärme der Höhle mit den Bedürfnissen seines schmerzenden Körpers, und er schlief ein - trotz der Schmerzen in seinem Bein.
Als Arden erwachte, waren seine Kleider trocken, und der dumpfe Schmerz oberhalb seines Knöchels hatte nachgelassen. Dafür beschwerte sich sein Magen bitterlich - er hatte ein ganze Weile nichts gegessen. Es schien eher mehr Licht als vorher zu geben, und er wusste, dass der Zeitpunkt gekommen war, einen Ausbruchsversuch zu unternehmen. Er besaß nichts, mit dem er sein Bein hätte schienen können, also improvisierte er, zog seinen Gürtel aus und wickelte ihn so fest wie möglich um die Schwellung, um die Bewegungen des Knöchels auf ein Minimum zu beschränken.
Erst einmal Wasser, sagte er sich und kroch langsam zum Rand des Felsvorsprungs. Er beugte sich vor, schöpfte etwas Wasser mit der Hand und führte die kalte Flüssigkeit an die Lippen. Nach einem vorsichtigen Probeschluck trank er sich satt. Er fühlte sich zwar erfrischt, doch die Bewegung hatte den Protest eines jeden zerschundenen und steifen Muskels ausgelöst, und einen Augenblick zweifelte er an seiner Entschlossenheit.
»Wo geht's lang?« fragte er laut, und diesmal konnte er ein ganz schwaches Flüstern hören. Obwohl seine Stimme kaum wahrzunehmen war, ermutigte ihn die Vorstellung, sein Gehör könnte zurückkehren, und er fing wie besinnungslos an zu brüllen, bis ihm der Schädel brummte.
Er hatte nicht die geringste Möglichkeit festzustellen, welches die beste Route wäre, daher überließ er die Entscheidung dem Zufall. Er begann zu kriechen und stellte schon bald fest, dass sein Bein weniger schmerzte, wenn er rückwärts kroch, sich mit den Armen voranzog und sich mit seinem rechten Bein abstieß. Das hatte jedoch zur Folge, dass er nicht sah, wohin er sich bewegte, und er musste häufig anhalten und sich umdrehen, um die Lage vor sich zu erkunden.
Es dauerte nicht lange, und der Vorsprung wurde schmaler und die Decke niedriger. Hier und dort leuchteten Kristalle mit einem schwachen Schimmern, das Arden unglaublich grell vorkam und das die Stalaktiten und das langsam fließende Wasser zu seiner Linken beleuchtete. Vor ihm lag Dunkelheit, doch inzwischen spürte Arden den leichten Druck von Luft, die sich bewegte, und seine Stimmung hob sich. Es gab tatsächlich einen Tunnel!
Während er sich langsam vorwärtsschob und versuchte, die Quelle dieser Brise ausfindig zu machen, merkte er, dass der Boden unter ihm rauher wurde. Das bremste zwar sein Vorwärtskommen, doch er zwang sich, weiterzukriechen, und endlich fand er, was er gesucht hatte.
Der Tunneleingang bestand aus einem zackigen Loch, ungefähr halb so hoch wie ein Mensch. Drinnen war es vollkommen schwarz, doch tastend stellte er fest, dass der Tunnel nach oben führte. Der Luftzug wurde stärker. Er atmete ein paarmal tief durch, dann schob er sich hinein in die Dunkelheit.
Der Gang wurde enger, und das Geläuf wurde immer schroffer. Licht gab es überhaupt nicht. Die vorspringenden Felsen gaben Arden reichlich Halt, waren aber gleichzeitig gefährlich - mehrere Male stieß er mit seinem verletzten Bein gegen die unsichtbaren Vorsprünge, und ihm stockte der Atem, wenn der Schmerz durch seinen Körper schoss. Jedesmal beruhigte er sich langsam wieder, zwang sich, tief durchzuatmen und nur an das Vorankommen auf seinem Weg nach oben zu denken, in eine Welt voller Grün und Sonnenschein, die Welt des Tals - und Gemmas.
An einer Stelle wurde der Tunnel so eng, dass er befürchtete, nicht hindurchzukommen - und mit fürchterlicher Gewissheit würde ihm bewusst, dass dies sein Ende wäre. Unfähig, umzukehren, und mit einem verletzten und nutzlosen Bein belastet, hätte er nicht mehr die Kraft, in die Höhle zurückzukriechen. Aber er schaffte es, und der stete Luftstrom half ihm, die Hoffnung zu bewahren. Während einer der immer häufigeren Ruhepausen wandte er sich um und blickte nach vorn - und hätte fast vor Freude aufgeschrien, als er in der Ferne ein stecknadelkopfgroßen Lichtpunkt entdeckte.
Die nächsten Stunden vergingen mit frustrierender Quälerei. Wie sehr er sich auch mühte, es ging unerträglich langsam voran, und das
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