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Die träumende Welt 02 - Das Schattenreich

Die träumende Welt 02 - Das Schattenreich

Titel: Die träumende Welt 02 - Das Schattenreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Wylie
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abwechselnd von jedem auf den Schultern getragen wurde. Er sprach zwar nicht, und auch sein Blick blieb leer, doch er verdrehte den Kopf und versuchte, so viel wie möglich mitzubekommen. Diese offenkundige Neugier, verbunden mit dem völligen Fehlen jeglicher Gefühlsäußerungen oder sonstigen Reaktionen, bereitete C'tis eine Gänsehaut. Es war unnatürlich - fast so, als wollte er Informationen aufsaugen bis sein Gehirn schließlich zu einem späteren Zeitpunkt wieder funktionstüchtig war. Nichts während ihrer Laufbahn als Heilerin hatte sie auf ein derartiges Rätsel vorbereiten können, und sie fragte sich, ob das Innenleben ihres Patienten ebenso ruhig war wie sein äußeres Erscheinungsbild. Sein Körper enthielt immer noch eine enorme Menge von Erd-Wildheit, jener Kraft, die durch den Genuss von Raellim erzeugt wurde. Erd-Wildheit war teils eine Substanz, teils bestand sie aus Energie und Traumbildern, und weil es sich noch in seinem Körper befand, war es ihr unmöglich, ihre normalen Fähigkeiten als Heilerin einzusetzen. Hoffentlich erholte sich der Fremde, damit sie ihn über seine Erfahrungen befragen konnte. Es war ihre größte Furcht, er könnte auf Dauer in den Wahn getrieben worden sein.
    Nach einer guten Weile erreichten sie die mit Wasser gefüllte Höhle mit dem Namen Chiming Steps. B'van legte den Fremden ab, und als C'tis sich niederkniete, um ihn zu untersuchen, sah er sich mit eingefallenen Augen um. Das untere Ende der Höhle wurde von einem einladenden, tiefen Becken ausgefüllt, dessen sacht kräuselndes Wasser im Licht der Kristallflöze ober- und unterhalb seiner Oberfläche funkelte. Das Becken wurde aus einem Wasserfall gespeist, der über eine Art Treppe floss, die durch die ungleichmäßige Gesteinserosion gebildet worden war. Das Plätschern des Wassers erzeugte einen melodischen Klang, der wunderschön und beruhigend war.
    »Ich kann keine Veränderung feststellen«, berichtete C'tis, »aber er muss bald etwas essen, sonst wird er noch schwächer.«
    »Ich könnte auch etwas zu essen gebrauchen«, meinte B'van.
    »Könnten wir alle«, sagte V'dal. »Am Boot haben wir genügend Vorräte, und bei Fels-Dunkel können wir dort sein.«
    »Solange du uns unterwegs nicht in die Irre führst«, entgegnete der andere, und die beiden Männer sahen sich grinsend an.
    C'tis flößte dem Eindringling etwas zu trinken ein, dann sah sie nach seiner Schiene.
    »Wo wir schon einmal hier sind, können wir auch die Höhe messen«, sagte D'vor und holte eine kleine Phiole aus seiner Tasche. In dem mit Wasser gefüllten Behälter befand sich eine kleine, grüne Pflanze, deren Ranken zu winken schienen. D'vor entkorkte das Fläschchen, tauchte seinen Finger in das unterirdische Becken und übertrug ein Tröpfchen in die Glasröhre. Er fing an zu zählen: als er bei achtzehn war, geriet die Pflanze in Bewegung, dann erschlaffte sie.
    »Es wird schlimmer«, kommentierte V'dal das Geschehen. »Letztes Mal bist du bis zweiundzwanzig gekommen.«
    »Wir können das Versickern nicht vollkommen verhindern«, meinte D'vor und legte dann die Stirn in Falten. »Trotzdem, vier Punkte während eines Flusswechsels, das ist mehr, als ich erwartet hatte.«
    »Ist es noch immer sicher?« wollte C'tis wissen.
    »Alles über zehn ist sicher«, erklärte D'vor ihr. »Und was ihn betrifft -« Er deutete auf den Fremden. »Für ihn ist das Wasser völlig klar.«
    »Na schön«, meinte C'tis. »Wenn das so ist, möchte ich ihn waschen.«
    »Wirf ihn in das Becken«, schlug J'vina vor. »Man weiß nie, vielleicht weckt ihn das.«
    Der Vorschlag war zwar als Spaß gedacht, trotzdem erwog C'tis ihn einen Augenblick lang ernsthaft. Vielleicht durchbrach ein derartiger Schock seine mentale Sperre.
    »Nein«, entschied sie nach einer Weile. »Er könnte ertrinken.«
    Also einigten sie sich auf einen Kompromiss und schafften den Fremden an den Rand des Beckens, wo sie ihn ausgiebig von Kopf bis Fuß bespritzten. Er ertrug die kalte Dusche, ohne mit der Wimper zu zucken, und verfolgte das Geschehen auf seine übliche, ungerührte Art.
    »Das reicht«, entschied D'vor. »Gehen wir weiter.«
    Während sie weitermarschierten, entschwand das musikalische Läuten allmählich in der Ferne. Es ging durch schwieriges Gelände, trotzdem gelang es ihnen mit dem Schwinden des allerletzten Lichtes aus den Kristallen, die Höhle des Flusslaufes zu erreichen, wo sie ihre Boote zurückgelassen hatten - genau wie V'dal es vorhergesagt

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