Die träumende Welt 02 - Das Schattenreich
fast verärgert.
»Soulskeep war voll von diesem Gift«, erinnerte D'vor sie. »Es war besser, es zu versiegeln, als es für immer zu vernichten.«
L'tha antwortete nicht.
»Hat er noch von dem Raellim?« wollte J'vina wissen.
Die Durchsuchung von Ardens Taschen förderte mehrere Pilzstücke zutage. L'tha legte sie ehrfurchtsvoll auf einen nahen Felsvorsprung.
»Mehr als genug, um die Propheten bei Laune zu halten«, meinte B'van zufrieden. »Wer immer es ist, er hat uns einen Weg erspart.«
»Er hat genau diese Menge selber gegessen«, erklärte C'tis den anderen, und sie betrachteten den bewusstlosen Arden voller Ehrfurcht.
»Er ist zäher, als er aussieht«, bemerkte B'van.
»Von dem Raellim abgesehen, war sein Magen fast leer«, fuhr C'tis fort. »Offenbar hat er dringend etwas zu essen gebraucht.«
»Er wird ein paar eindrucksvolle Träume erleben«, kommentierte B'van.
»Bei so viel Erd-Wildheit wird es über einfaches Träumen hinausgehen«, meinte C'tis. »Wenn er wieder aufwacht, wird er die Dinge anders sehen. Wer weiß, wofür er uns unter diesem Zeug gehalten hat.« Sie zeigte auf die abgelegten Seidenfischbandagen.
»Vermutlich glaubte er, wir wären Monster«, schlug J'vina vor, und alles lachte.
»Dann ist es im Augenblick so besser für ihn«, meinte D'vor und deutete auf den reglosen Körper des Fremden.
»Solange seine Träume nicht allzu schlimm werden«, gab C'tis ihm recht.
Arden träumte nicht. Er hatte sich in den Urgrund seines Seins zurückgezogen. Die Außenwelt hatte aufgehört zu existieren, und er war alleine in einem unendlichen, leeren Raum. Körperlos und ohne Sinne, ohne Gedanken. Keine Visionen.
Es war seine letzte Möglichkeit, sich zu verteidigen.
22 . KAPITEL
Kurz darauf kam V'dal zurück. Er hatte das saubere Wasser in einem Beutel untergebracht, den er aus Seidenfischstoff improvisiert hatte. Obwohl Eile geboten war, hatte er sich die Zeit genommen, ihn sicher zu verschließen, und kein Tropfen war verlorengegangen. C'tis weckte den Fremden, der die Augen öffnete und leeren Blicks starrte. Er konnte sehen, aber hinter diesem Blick war kein Leben. C'tis bot ihm das Wasser an, doch er schien nicht zu wissen, was er damit machen sollte, daher ermunterte sie ihn, goss ihm die Flüssigkeit in den Mund und berührte seinen Hals. Er schluckte einmal krampfhaft, dann stürzte er den Rest hinunter. Die Heilerin war zufrieden, wenn auch nicht ganz.
»Er wird bald mehr brauchen«, erklärte sie.
»Ziehen wir also weiter«, antwortete D'vor. »Wir haben hier alles gesehen, was wir sehen müssen. Bis wir die Boote erreicht haben, können wir ihn abwechselnd tragen.«
Die anderen erhoben sich, froh darüber, dass die Verzögerung ein Ende hatte.
»Zieht ihm die Kleider aus, bevor wir aufbrechen«, wies J'vina sie an. »Sonst werden sie verfärbt.« Sie gab C'tis ihr Messer, eine dünne, rasiermesserscharfe Klinge, und die Heilerin schnitt dem Fremden vorsichtig die zerfetzten Überreste seiner Kleidung herunter. Er betrachtete sie teilnahmslos, und sein Gesichtsausdruck blieb unverändert.
»Kein besonderes Exemplar«, meinte J'vina, als sie den nackten Mann betrachtete.
»Kraft zeigt sich nicht notwendigerweise nur in den Muskeln«, wies V'dal sie zurecht. »Er hat Dinge überlebt, die jeden von uns getötet hätten.«
»Stimmt«, gab die Kriegerin mit nachdenklichem Ausdruck im Gesicht zurück.
»Welche Richtung sollen wir einschlagen?« wandte sich V'dal an D'vor.
»Erst einmal Wasser holen, dann nehmen wir den schnellsten Weg zu den Booten. Auf dem ersten Abschnitt übernimmst du die Führung. Ich trage ihn. L'tha, du übernimmst das Raellim.«
Der Weg war weit. In dieser unterirdischen Welt bestimmten nicht Licht oder Dunkel, sondern vielmehr Aktivität und Ruhe den Unterschied von Tag und Nacht. Dennoch entsprach das Zeitgefühl dem der Oberwelt. Es gab Orte, an denen das kristalline Licht direkt von der Erdoberfläche hereingelenkt wurde, und dieses Licht schien dann zur gleichen Zeit wie die unsichtbare Sonne.
Anfangs ging es durch eine Folge miteinander verbundener Höhlen und Tunnel. Das Grüppchen war voller Zuversicht und kam gut voran, trotz der nahen Dunkelheit und ihrer unvorhergesehenen Last. Sie stießen auf mehrere Hinweise, dass die Gegend früher bewohnt gewesen war, doch nur V'dal und L'tha, die für diese Dinge empfänglicher waren als ihre Gefährten, würdigten sie eines zweiten Blicks.
Der Fremde blieb bei Bewusstsein, während er unsanft
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