Die träumende Welt 02 - Das Schattenreich
hatte.
D'vor schloss die Metalltür hinter ihnen, und alles atmete erleichtert auf. Jetzt lag die Barriere hinter ihnen, und sie befanden sich auf freiem Gebiet. Man konnte die beengenden Seidenfisch-Bandagen in verhältnismäßiger Sicherheit ablegen, daher begannen sie sofort damit, sich zu befreien und den kostbaren schwarzen Stoff zusammenzulegen und zu verstauen. Darunter waren sie alle so bleich wie Cutis. Obwohl sie von Natur aus schlank waren, sah man ihren muskulösen Körpern und Gliedern die regelmäßige Übung an. Das Haar trugen sie sehr kurz geschoren, es gab keinen Unterschied im Stil zwischen Männern und Frauen. Die Farbe variierte von V'dals Hellgrau bis hin zu J'vinas Strohblond.
Unter der Schutzhülle trugen alle Kleidung, die ihren individuellen Ansprüchen und Vorlieben entsprach. D'vor, B'van und J'vina bevorzugten geschmeidige, dabei zähe Kleidung aus behandelter Fledermaushaut, während C'tis und L'tha das derbe, warme Tuch trugen, das man unter großer Mühe aus Wurzelfasern gewoben hatte. V'dals Kleidung bestand aus einer ausgefallenen Mixtur all dessen, und alle trugen Schmuck aus Metall.
Nachdem sie ihre äußere Schutzhülle abgelegt hatten, machte sich jedes Gruppenmitglied an seine Aufgabe. V'dal und D'vor sahen nach den Booten und testeten - aus Gewohnheit - das Flusswasser, das zu ihrer großen Erleichterung sauber war. Selbst in dieser entlegenen Region gehorchte J'vina ihren Instinkten als Kriegerin und erforschte die nahen Tunnel, um sich zu vergewissern, dass sie menschenleer waren. L'tha verpackte die zerbröselten Reste des Raellim unter größter Sorgfalt in wasserdichte Behälter, dann gesellte sie sich zu B'van, der ein Feuer angezündet hatte, und half ihm bei der Zubereitung eines Mahls. C'tis hatte es aufgegeben, irgendetwas aus dem Fremden herauszubekommen, lehnte ihn gegen einen Felsen und deckte ihn mit einer Decke zu. Die Heilerin sammelte ihren gesamten Seidenfischstoff zusammen, dann spülte sie ihn in dem träge fließenden Wasser.
»Gibt es irgendwelche Fische da drinnen?« rief B'van herüber. »Wir könnten etwas Abwechslung in unseren Rationen gebrauchen.«
»Soweit ich sehen kann, nicht«, erwiderte sie.
»Drüben am anderen Ufer gibt es Zehnkraut«, warf D'van ein und zeigte dabei in die flackernde Dunkelheit. »Wollt ihr etwas?«
»Besser als gar nichts«, meinte B'van, legte seine Kleider ab und tauchte fast geräuschlos in das Wasser ein. Ein paar Augenblicke später tauchte er wieder auf und hielt ein paar krause, weiße Strünke in der Hand. D'vor half ihm heraus und überreichte das Zehnkraut den Köchen.
»Hm, lecker. Meine Lieblingsspeise«, meinte B'van und leckte sich die Lippen. »Der volle Geschmack eines kurz gekochten Steins.«
»Undankbarer Trottel«, beschwerte sich V'dal gut gelaunt. J'vina warf ihm ein Tuch zu, und er rieb sich vor dem Anziehen ab. »Außerdem, denk doch daran, wie nahrhaft es ist.«
»Ich denke an nichts anderes«, gab B'van zurück, zerhackte das Zehnkraut und warf es zu den Speisen, die er und L'tha vorbereitet hatten. Die Glut des Feuers glomm jetzt rot und tauchte die Höhle in ein gleichmäßiges, warmes Licht. Nach einer Weile begann der Eintopf leicht zu köcheln. Die Gruppe hatte seit zwei Tagen nichts mehr gegessen, und der aromatische Dampf weckte einen gewaltigen Appetit. Als das Essen ausgeteilt war, war C'tis die einzige, die sich nicht den Mund verbrannte, und das auch nur deswegen, weil sie sich verpflichtet fühlte, erst den Fremden zu füttern. Er reagierte weder auf Geschmack noch auf Hitze, noch darauf, dass er etwas in den Magen bekam, sondern kaute und schluckte nur mechanisch.
»Offenkundig weiß er gute Küche nicht zu schätzen«, bemerkte B'van.
»Du warst es doch, der sich beschwert hat, dass es nach nichts schmeckt«, zog J'vina ihn auf.
»In den Händen eines Meisterkochs verwandeln sich sogar die bescheidensten Zutaten in einen Leckerbissen«, erwiderte er unerschüttert.
»Trotzdem, er ist seltsam«, sagte L'tha ruhig, und alles drehte sich um und sah den Unbekannten an. »Kommst du denn überhaupt nicht weiter bei ihm, C'tis?«
Die Heilerin schüttelte den Kopf.
»Er ist ein völliges Rätsel«, erwiderte sie. »Wir werden nur dann herausfinden, was sich in seinem Kopf abspielt, wenn er sich entschließt, es uns zu verraten.«
»Wenigstens brauchen wir ihn auf dem nächsten Stück nicht zu tragen«, bemerkte B'van.
»Kannst du ihm irgendetwas anziehen?« fragte J'vina. »Er
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