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Die Träumerin von Ostende

Die Träumerin von Ostende

Titel: Die Träumerin von Ostende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric-Emmanuel Schmitt
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ausgesucht.«
    »Wie bitte?«
    »Sie haben ganz richtig verstanden.«
    »Und das hat er gebilligt?«
    »Das war meine Bedingung. Ich war nur bereit zu teilen, wenn ich bestimmen konnte, mit wem ich teilte. Da er mich leidenschaftlich liebte, willigte er ein.«
    »Und was für Frauen haben Sie für ihn ausgesucht?«
    »Sie waren immer ausgesprochen schön!«
    »Tatsächlich?«
    »Ausgesprochen schön und ausgesprochen dumm. Wenn es auch keine zehn Arten gibt, schön zu sein, so doch Tausende der Dummheit. Dumm, weil man kein Gesprächsthema hat, dumm, weil man eine langweilige Schwätzerin ist, dumm, weil man sich nur für das interessiert, was die Frauen erregt und nicht die Männer, dumm, weil man sich für klüger hält, als man ist, dumm, weil man eine fixe Idee hat. Mein armer Guillaume, ich habe ihn mit lauter Dummchen verbandelt!«
    »Es kommt mir vor, als hätte es Ihnen Spaß gemacht.«
    »Durchaus. Nun ja, genau genommen habe ich ihm immer nur hübsche Dummchen zugeführt; wäre ich böse gewesen, hätte ich ihn mit hässlichen zusammengebracht!«
    »Und wie nahm er das auf?«
    »Sehr gut. Er ging wegen ihrer Vorzüge zu ihnen und wandte sich wegen ihrer Mängel von ihnen ab. Er verließ mich schnell, kam aber ebenso schnell wieder.«
    »Sind Sie wirklich sicher, dass er Ihnen das nicht verübelte?«
    »Es ging um das jeweils reizvollste Dummerchen der Saison, und da ich ihm immer originelle Geschöpfe aussuchte, hatte er mir auch immer etwas zu berichten. Andernfalls … Nun, ich muss gestehen, wir haben viel gelacht. Das mag zynisch klingen, aber wir standen in doppelter Hinsicht unter Druck. Einerseits zwang uns die Gesellschaft, uns zu verstecken, anderseits nötigte sie Guillaume, ihr zu beweisen, dass er ein Frauenheld war; wir hatten uns arrangiert. Privat hatte sich nichts geändert, wir liebten uns nach wie vor, wenn nicht noch stärker, schließlich standen wir dies alles gemeinsam durch.«
    »Waren Sie denn niemals eifersüchtig?«
    »Das habe ich mir verboten.«
    »Dann haben Sie also Eifersucht verspürt?«
    »Aber ja. Oft schwirrte mir der Kopf dermaßen von Bildern, von ihm mit seinen Frauen, dass ich am liebsten Schluss gemacht hätte.«
    »Sie wollten sich umbringen?«
    »Nein, die Frauen. Ich hatte Mordgedanken. Aber kaltgestellt haben sie sich mit ihrer Einfalt selbst. Dumme Geschöpfe, zum Glück, ausgesprochen dumm. Ein Mal, ein einziges Mal, hätte ich mich um ein Haar getäuscht!«
    Sie bewegte ihre Hände, als kämpfte sie noch immer gegen diese Gefahr an.
    »Diese verflixte Myriam, sie hätte mich fast an der Nase herumgeführt. Ich habe nie eine Frau gesehen, die so viel Energie darauf verwandte, hirnlos zu wirken … Guillaume schmuggelte mich mit in den Palast, wo ich, um mich meiner Wahl zu vergewissern, hinter einem Wandbehang ihre Essen mitverfolgte. Ich hatte mich, ohne lange zu überlegen, für diese Myriam entschieden, die pausenlos dummes Zeug redete, salvenweise Unsinn von sich gab, bis ich plötzlich feststellte, dass ihr Geplapper durchaus amüsant und witzig war, weder abwegig noch langweilig. Ernüchtert schloss ich, dass sie Sinn für Humor besaß, was zumindest auf eine gewisse Finesse hindeutete. In der Folge sah ich sie mir genauer an und bemerkte, dass sie sich auf jeden Mann, den sie kaperte, entsprechend einstellte: War ein Mann formell, ließ sie mit entspannter Unbekümmertheit Bemerkungen fallen wie: »Das ist mir ja ein Drolliger, das Kerlchen da«; war einer eitel, beglückwünschte sie ihn wortreich zu seinem vermeintlichen Erfolg; und war einer versessen aufs Jagen, lieh sie ihm hingebungsvoll ihr Ohr und lauschte dem Karnickelbezwinger wie einem Helden mehrerer Weltkriege. Kurz, sie war ein Ass in Sachen Verführung und spielte mit verdeckten Karten. Beim Nachtisch rückte sie näher an Guillaume heran, unterhielt sich mit ihm über Sport und machte ihm weis, dass sie gern Fallschirm springen würde. Sie war imstande, den Versuch zu wagen, diese Draufgängerin, nur um sich ihm in die Arme zu werfen! Ich habe ihr Palastverbot erteilt. Ein raffiniertes Weibsstück, das die Leichtsinnige spielte, nur um die Männer besser manipulieren zu können … Sie hat seither eine glänzende Karriere gemacht, hat immer nur renommierte Herren geehelicht, und jedes Mal, so ein Zufall aber auch, waren sie reich!«
    »Ist Guillaume je eine engere Beziehung mit einer dieser Frauen eingegangen?«
    »Nein. Wissen Sie, die Männer stellen keine hohen Ansprüche ans

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