Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Träumerin von Ostende

Die Träumerin von Ostende

Titel: Die Träumerin von Ostende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric-Emmanuel Schmitt
Vom Netzwerk:
dieser Madame Georges verkehrte, sie ermöglichte ihm eine Lebensform, die er gehofft hatte, geheim halten zu können.
    Ich erklärte ihm weiter, dass ich mich weder schämte, meine Zeit dort zu verbringen, noch eine Puffmutter zur besten Freundin zu haben, und dass man wirklich ein Esel sein musste, wie mein Cousin, wenn man das nicht begriff.
    »Ich verstehe …«, gestand er zu seiner eigenen Überraschung.
    Er war nicht nur erstaunt zu entdecken, wer ich war, sondern auch, dass ich ihm letztlich gefiel. Diese Diskussion, in der es eigentlich heftig hätte zugehen müssen, war ruhig verlaufen und besiegelte den Beginn einer neuen Beziehung zwischen meinem Vater und mir, unsere glücklichen Jahre … Bis wir den Kongo verließen, lebten wir so und verbrachten unsere Zeit, er wie ich, zwischen zwei Häusern, dem unseren und der Villa Violette.«
     
    »Daher also hat Guillaume eine erfahrene Jungfrau in mir gefunden, eine Frau, die sich noch niemandem hingegeben, aber weder Angst vor Männern hatte noch vor deren Körper oder vor Sex. Gesundheitliche Probleme hatten mich gezwungen, nach Belgien zu reisen; nach Abschluss meiner Behandlung erholte ich mich hier in diesem Haus, das unserer Familie gehört. Mein Vater wollte mir Gesellschaft leisten und kam mitsamt seiner Bibliothek. Nach sechs Monaten aber vermisste er den Kongo – oder war es die Villa Violette? – so sehr, dass er zurückkehrte. Als Guillaume und ich uns begegneten, war ich dreiundzwanzig Jahre alt. Unsere Verbindung blieb zunächst geheim. Zweifellos aus Vorsicht. Aber auch aus Scham. Und aus Spaß an der Heimlichkeit. Dann gewöhnten wir uns an diesen Zustand und beließen es dabei. Außer Guillaumes persönlichem Adjutanten, den Sekretären und dem Personal, die ins Vertrauen zu ziehen, uns die Umstände zwangen, erfuhr niemand von unserer Verbindung. Wir zeigten uns niemals gemeinsam in der Öffentlichkeit und entgingen so dem Klatsch und den Fotografen. Wir versteckten uns hier und entwischten nur einige Male ins Ausland, in Länder, in denen Guillaume ein unbekannter Tourist war.«
    »Weshalb?«
    Ich hatte gewagt, sie zu unterbrechen.
    Emma van A. zögerte, ihr Kinn zitterte, als wollte sie etwas nicht sagen. Ihr Blick schweifte im Raum umher, und es dauerte eine Weile, ehe sie antwortete:
    »Ich hatte einen Mann gewählt, keinen Prinzen. Ich hatte mich für die Rolle der Geliebten entschieden und nicht für die der Ehefrau oder gar einer Hofdame, mit den Verpflichtungen, die so etwas mit sich bringt.«
    »Sie haben eine Heirat abgelehnt?«
    »Er hat mir keinen Heiratsantrag gemacht.«
    »Hätten Sie das von ihm erwartet?«
    »Nein, das hätte bewiesen, dass er nichts begriffen hat, weder was mich noch was uns oder seine Pflichten anbetraf. Und dann, seien wir ehrlich, cher Monsieur, ein Mitglied des Königshauses, welchen Rang in der Thronfolge es auch einnehmen mag, ehelicht keine Frau, die keine Kinder bekommen kann.«
    Dieses Eingeständnis also war ihr so schwer gefallen. Ich sah sie mitfühlend an. Erleichtert fuhr sie fort:
    »Wir hatten nie irgendwelche Vorsichtsmaßnahmen getroffen. Nach fünf Jahren gab ich auf. Mein Bauch war trockener als die Wüste Gobi. Ich weiß übrigens bis heute nicht, ob die Ursache physischer Natur war oder ob die Erinnerung an meine im Kindbett gestorbene Mutter meinen Schoß hat vertrocknen lassen.«
    »Und wie ging es weiter?«
    »Es änderte sich nichts, zunächst. Dann gestand mir Guillaume, dass ihm die königliche Familie zusetzte und auch die Presse sich Gedanken darüber machte, dass man ihn stets nur beim Sport sah. Seine Männlichkeit wurde in Zweifel gezogen. Unter diesen Blaublütlern gibt es eine so beachtliche Anzahl von Homosexuellen, dass die echten Frauenliebhaber gezwungen sind, Kinder zu zeugen, um das Volk zu beruhigen und die Monarchie zu sichern. Das war seine Bestimmung als Mann und Prinz. Er hatte es so lange wie möglich verdrängt … Und nun drängte ich ihn zu handeln.«
    »In welcher Hinsicht?«
    »Sich Geliebte zu nehmen, sich öffentlich mit ihnen zu zeigen.«
    »Sie haben sich getrennt?«
    »Nein, ganz und gar nicht. Wir blieben zusammen, wir waren weiterhin ein Liebespaar, er wahrte nur den Schein. Er durfte sich kurze Seitensprünge erlauben. Und dies jedes Mal so auffällig und ungeschickt, dass unweigerlich Fotos in der Presse erschienen.«
    »Und wie war es für Sie, betrogen zu werden?«
    »Unproblematisch. Ich habe ihm seine Geliebten ja selbst

Weitere Kostenlose Bücher