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Die Träumerin von Ostende

Die Träumerin von Ostende

Titel: Die Träumerin von Ostende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric-Emmanuel Schmitt
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nicht weiter stören. Du weißt ja, ich und das Telefon … Dann also bis Samstag!«
    »Bis Samstag, zehn Uhr.«
     
    In den folgenden Tagen zehrte Maurice von dem Glücksgefühl, das er am Ende dieses Gesprächs empfunden hatte: Er war nicht nur in bester Verfassung, er fuhr auch bald in den Urlaub!
    Wie so viele Junggesellen ohne Sexualleben war er sehr um seine Gesundheit besorgt. Sobald man in seiner Gegenwart auf eine Krankheit zu sprechen kam, bildete sich Maurice ein, daran zu erkranken, und beobachtete von diesem Augenblick an, ob sie womöglich auftrat. Je unbestimmter und untypischer die Symptome waren, wie Mattigkeit, Kopfschmerzen, Schwitzen oder Magenbeschwerden, umso größer war seine Angst, von ihr befallen zu sein. Sein Arzt war bereits daran gewöhnt, dass Plisson immer genau dann, wenn er seine Praxis schließen wollte, mit fiebrigen Augen, zitternden Händen und trockenem Mund aufkreuzte, um sich sein nahes Ende bestätigen zu lassen. Er untersuchte ihn jedes Mal – oder vermittelte seinem Patienten zumindest diesen Eindruck –, um ihn anschließend zu beruhigen und so glücklich nach Hause zu schicken, als hätte er ihn tatsächlich von einem schweren Leiden geheilt.
    An diesen Abenden der Erleichterung, Abenden, an denen ein zum Tode Verurteilter die Freiheit wiedererlangt hatte, entkleidete sich Maurice Plisson und betrachtete sich zufrieden im Spiegel seines schweren, gemaserten Schlafzimmerschranks – einem Erinnerungsstück von seiner Großmutter. Er war nicht schön, gewiss, nicht schöner als vorher, aber er war gesund. Vollkommen gesund. Und dieser Körper, den niemand begehrte, dieser Körper war reiner als so manch anderer verführerischer Körper und würde noch lange leben. An diesen Abenden mochte sich Maurice Plisson. Ohne diese übermächtige Angst, mit der er sich selbst immer wieder ansteckte, hätte er sich diese Zuneigung vielleicht nicht entgegenbringen können. Wer sonst im Übrigen hätte sie ihm gezeigt?
     
    Am Samstag, um zehn Uhr morgens, hupte Plisson vor dem Haus, an dem er sich verabredet hatte.
    Sylvie erschien auf dem Balkon, dick, heiter und nachlässig gekleidet.
    »Hallo, Cousin!«
    »Hallo, Cousine!«
    Sylvie und er waren seit ihrer Kindheit befreundet. In ihrer Jugend, er der einzige Sohn, sie die einzige Tochter, waren sie einander so zugetan, dass sie sich vornahmen, später einmal zu heiraten. Bis ein Onkel, den sie ins Vertrauen zogen, ihnen erklärte, dass eine Ehe zwischen Cousins ersten Grades leider nicht erlaubt sei, was ein Aus für ihre Hochzeitspläne bedeutete, nicht aber für ihre Freundschaft. War es der Schatten, den diese verhinderte Hochzeit warf, der sie daran hinderte, andere Verbindungen einzugehen? Zogen sie nie eine andere Beziehung in Betracht als die ursprüngliche? Jetzt waren sie beide fünfzig, die eine oder andere Affäre lag hinter ihnen, und sie hatten sich mit ihrer Ehelosigkeit abgefunden. Während der Ferien verbrachten sie wie früher die Zeit zusammen, und dies mit ebenso viel, wenn nicht noch größerem Vergnügen, denn immer, wenn sie beieinander waren, schien die Zeit stillzustehen und das Leben seine Härte zu verlieren. Jedes Jahr gönnten sie sich zwei Wochen und hatten so gemeinsam Ägypten besucht, Italien, Griechenland, die Türkei, Syrien, den Libanon und Russland. Maurice bildete sich gerne auf diesen Reisen, Sylvie schätzte ihre Kürze.
    In einem Wirbelwind aus Tüchern und Schals, die ihre Fülle umflatterten, stürmte Sylvie aus dem Haus, zwinkerte Maurice zu und ging über die Straße zur Garage, um einen letzten Koffer in ihr winziges Auto zu stopfen. Maurice fragte sich, warum diese dicke Person immer wieder gezielt kleine Wagen kaufte. Sie ließen sie nicht nur dicker erscheinen, als sie war, sondern waren gewiss auch nicht besonders praktisch.
    »Und, Maurice, an was denkst du?«
    Sie ging zu ihm und gab ihm einen schmatzenden Kuss.
    Während er an Sylvies riesige Brust gedrückt dastand und auf Zehenspitzen versuchte, sie auf die Wange zu küssen, kam er sich plötzlich vor wie Sylvies Wagen. Hätte man ihn so schmächtig, hohlbrüstig, kleinwüchsig und feingliedrig neben Sylvie und ihrem Mini auf einem Foto gesehen, man hätte ihn ohne weiteres ihrer Sammlung zurechnen können.
    »Ich habe mich auf dem Parkplatz umgesehen, und da fielen mir die beiden Schwarzen mit ihren weißen Limousinen aus meiner Straße ein. Schwarz. Weiß. Der absolute Gegensatz. Ist dir das jemals aufgefallen?«
    Sie

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