Die Treue Des Highlanders
aber sie war immerhin das Weib eines einflussreichen Lords, darum sagte er ruhig: »Lady Anna ist eine Cousine zweiten Grades, und sobald es das Wetter zulässt, werde ich sie in mein Heim ins Hochland bringen. Mylady, ich entbinde Euch von der Verantwortung für Lady Anna.«
Skeptisch musterte Lady Argyll den großen und kräftigen Mann. Sie wusste, im Ernstfall würde es ihr nicht gelingen, ihn daran zu hindern, Anna mitzunehmen. Anna hatte zwar die Königin erfreut und zu ihrer Unterhaltung beigetragen, aber die Königin hatte derzeit andere Sorgen, als sich um eine einfache Hofdame Sorgen zu machen. Außerdem hatte sie Anna schon länger nicht mehr zu ihrer Unterhaltung gerufen. Und schließlich: Was ging es sie, Lady Argyll, an, wenn Anna mit einem Mann, mit dem sie nicht vor einem Priester getraut worden war, unter einem Dach lebte? Darum trat sie einen Schritt zur Seite und sagte scharf: »Nun gut, geht und nehmt Lady Anna mit Euch. Aber ich kann Euch versichern, dass sie nicht mehr am Hof willkommen sein wird, solange sie nicht ordentlich mit Euch verheiratet worden ist.«
Duncan atmete erleichtert auf. Es hätte ihm widerstrebt, gegenüber einer Dame wie Lady Argyll Gewalt anwenden zu müssen, im Notfall wäre er aber davor nicht zurückgeschreckt. »Ich weiß nicht, was Eure Ärzte mit ihr gemacht haben, Mylady«, sagte er scharf, »aber ich kann nur hoffen, dass Ihr sie nicht zu Tode geschröpft habt. Sie sieht aus, als hätte sie keinen Tropfen Blut mehr im Leib.«
Lady Argyll verzichtete auf eine Antwort und sah Duncan unbeteiligt nach, als er mit Anna auf den Armen das Haus verließ. Zugegebenermaßen war sie erleichtert, die Verantwortung für die seltsame Irin los zu sein, denn sie hatte ihr nie getraut. Anna war ihr von Anfang an seltsam vorgekommen, auch wenn sie ganz amüsant gewesen war. Allein schon die Aussage, dass sie niemals an Pocken erkranken könnte, hatte Lady Argyll nachdenklich gemacht. Sie war zwar eine tiefgläubige Frau, aber die Tatsache, dass es Hexen gab, ließ sich nicht leugnen. Manches an Annas Verhalten war für Lady Argyll nicht erklärbar, und sie war immer auf der Hut vor ihr gewesen.
Sofort nahm Mrs. Geddes Anna unter ihre Fittiche und begann, sie mit Hühnerbrühe und Kräutertränken wieder aufzupäppeln. Lady Argylls moralische Bedenken waren unnötig gewesen, denn Kathleen Geddes achtete wie Zerberus darauf, dass Duncan keinen Augenblick mit Anna allein war, mochten sie auch jetzt unter einem Dach leben. Nach und nach fand Anna wieder ins Leben zurück, auch wenn sie sich noch sehr schwach fühlte. Duncan durfte nur eine Stunde am Tag an Annas Bett sitzen, und dabei saß Mrs. Geddes auf einem Stuhl auf der anderen Seite und achtete streng darauf, dass Duncan Anna nicht zu nahe kam. Allein aber die Tatsache, dass Duncan in ihrer Nähe war, half ihr zu genesen.
Während Anna sich allmählich erholte, wich der strenge Winter nur langsam dem Frühling, und es wurde April, bis das Gericht endlich über Bothwell zusammentrat. Maria Stuart kehrte zwei Tage vor dem zwölften April, dem Tag der Verhandlung, nach Holyrood zurück. Am Gerichtstag fühlten sich die Einwohner Edinburghs an einen Triumphzug erinnert, als sie auf die Straße eilten und dem Einzug Bothwells in die Stadt zusahen. Er war mit einem Wams aus hellblauer Seide, einer blütenweißen Halskrause und eng anliegenden roten Strümpfen unter einer geschlitzten kurzen blauen Hose nach der neuesten Mode gekleidet und sah eher aus, als hätte er die Absicht, einen Ball zu besuchen, als sich vor einem Gericht des Mordes zu verantworten. Sein Rappe war ebenfalls prächtig herausgeputzt, ebenso seine Diener und Knappen, die ihm in gebührendem Abstand durch die Straßen folgten. Kaum jemand im Volk aber wusste, dass er seine persönliche Armee, bestehend aus sechstausend bewaffneten Männern zu Fuß und zu Ross, aus dem Süden hatte kommen lassen und diese einen engen Ring um Edinburgh gezogen hatten. Sollte dem Earl von Bothwell auch nur ein Haar gekrümmt werden, so waren sie bereit, sofort zuzuschlagen und die Stadt einzunehmen. Edinburgh Castle war nur unzureichend besetzt und würde einem Angriff von Bothwells Männern nicht lange standhalten können.
Die ehrenwerten Lords, die als Richter fungierten, waren über die Situation informiert, und der Hauptankläger, der Earl von Lennox, Darnleys Vater, glänzte durch Abwesenheit. Wahrscheinlich hatte er von Bothwells Vorkehrungen gehört und war sicherheitshalber im
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