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Die Triffids: Roman - Mit einem Vorwort von M. John Harrison (www.Boox.bz)

Die Triffids: Roman - Mit einem Vorwort von M. John Harrison (www.Boox.bz)

Titel: Die Triffids: Roman - Mit einem Vorwort von M. John Harrison (www.Boox.bz) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Wyndham
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einen Moment, Liebling«, sagte er.
    Er stieg drei oder vier der mit dickem Teppich ausgelegten Stufen hoch. Seine ausgestreckten Hände fanden das Fenster. Er fasste den Griff und öffnete es. Ich sah draußen die Feuertreppe.
    »Was machst du, Jimmy?«, fragte sie.
    »Ich überprüfe nur was«, sagte er und griff nach ihrer Hand. »Komm, Liebling.«
    Sie zögerte.
    »Jimmy – ich möchte hierbleiben. In unserer eigenen Wohnung wissen wir jedenfalls, wo wir sind. Wo finden wir was zu essen? Wo werden wir schlafen?«
    »Zu Hause, Liebling. Wir werden nichts essen und deshalb auch nicht mehr lange leben. Komm, Süße. Hab keine Angst.«
    »Aber ich habe Angst.«
    Sie klammerte sich an ihn, und er legte einen Arm um sie.
    »Es wird alles gut, Liebling. Komm.«
    »Aber das ist die falsche Richtung, Jimmy.«
    »Du irrst dich, Liebes. Es geht hier entlang.«
    »Jimmy, ich habe Angst. Lass uns zurückgehen.«
    »Es ist zu spät, mein Liebling.«
    Am Fenster hielt er an. Mit einer Hand prüfte er sorgfältig, wo er stand. Dann umarmte er sie.
    »Es war vielleicht zu schön, um lange zu währen«, sagte er weich. »Ich liebe dich. Ich liebe dich so sehr.«
    Sie hielt ihm die Lippen zum Kuss entgegen.
    Er hob sie hoch, drehte sich mit ihr um und stieg aus dem Fenster …
    Man brauchte ein dickes Fell, sagte ich mir. Oder viel Alkohol. So was passierte wahrscheinlich überall um uns herum. Und man konnte nichts dagegen tun. Was wäre gewesen, wenn man ihnen Lebensmittel besorgt hätte, damit sie die nächsten paar Tage hätten überstehen können? Und danach? Man musste lernen, es auszuhalten und sich damit abfinden. Es gab kein Überleben, es sei denn, man kämpfte, um trotz allem seinen eigenen Weg zu gehen … Nur wer robust genug war, um das auszuhalten, würde durchkommen …
    Ich brauchte länger, als ich vorausgesehen hatte, bis ich alles Nötige beisammen hatte. Erst nach etwa zwei Stunden kehrte ich zurück. Ich ließ ein, zwei Stücke aus meiner Ladung fallen, als ich die Tür aufmachte. Josella rief mit nervöser Stimme etwas aus ihrem hyperfemininen Schlafzimmer.
    »Ich bin es«, beruhigte ich sie, als ich den Flur entlangschritt.
    Ich stellte sie in der Küche ab und ging zurück, um die Sachen zu holen, die mir heruntergefallen waren. Vor ihrem Zimmer hielt ich an.
    »Sie können jetzt nicht hereinkommen«, sagte Josella durch die Tür.
    »Wollte ich auch nicht«, entgegnete ich. »Ich wollte nur wissen: Können Sie kochen?«
    »Bis zu gekochten Eiern reicht es«, ertönte ihre gedämpfte Stimme.
    »Meine Ahnung! Wir werden eine ganze Menge lernen müssen«, warnte ich sie.
    Ich kehrte in die Küche zurück und stellte den mitgebrachten Petroleumkocher auf den nutzlosen Elektroherd und machte mich an die Arbeit.
    Nachdem ich den kleinen Tisch im Salon für zwei Personen gedeckt hatte, war ich mit dem erreichten Effekt ziemlich zufrieden, verbesserte ihn noch mit ein paar Kerzen und Leuchtern, die ich bereitstellte. Von Josella war noch immer nichts zu sehen, vor einer Weile allerdings hatte ich das Geräusch von fließendem Wasser gehört. Ich rief.
    »Komme schon«, antwortete sie.
    Ich schlenderte zum Fenster hinüber und sah hinaus. Ich begann Abschied zu nehmen von alldem, was da sichtbar war. Die Sonne stand tief. Die steinernen Türme, Giebelspitzen und Fassaden schimmerten weiß oder rosig vor dem verdämmernden Himmel. Da und dort waren weitere Brände ausgebrochen. Dicker, schwarzer Qualm schob sich in die Höhe; manchmal züngelte eine Flamme auf. Nicht lange, sagte ich mir, und ich sähe dieses vertraute Bild zum letzten Mal. Vielleicht schon morgen. Wohl mochte eine Zeit kommen, da man zurückkehren konnte. Aber man würde alles verändert finden. Jetzt konnte der Anblick, aus dieser Entfernung betrachtet, noch als Bild einer lebendigen Stadt durchgehen.
    Mein Vater hatte mir erzählt, dass er vor Hitlers Krieg mit großen Augen durch London gegangen war, um die Schönheit der Bauwerke in sich aufzunehmen, die er zuvor nie bemerkt hatte – und sich von ihnen zu verabschieden. Mir ging es jetzt ähnlich. Aber diesmal war es schlimmer. Den Krieg hatten wir überstanden – doch jetzt hatten wir es mit einem Feind zu tun, den wir nicht überstehen würden. Uns erwarteten nicht mutwillige Zerstörungssucht und vorsätzliche Brandstiftung, sondern einfach der lange, langsame, unvermeidliche Verfall und Zusammenbruch.
    Ich stand und schaute. Noch wollte das Herz nicht glauben, was dem Kopf einleuchtete.

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