Die Triffids: Roman - Mit einem Vorwort von M. John Harrison (www.Boox.bz)
Bild vor uns.
»Ich glaube«, ergänzte ich, »wohlverstanden, es ist nur ein Glaube, dass wir eine geringe Chance haben – eine so geringe, dass es lange, sehr lange dauern wird, bis wir es geschafft haben könnten. Wären die Triffids nicht, hätten wir sogar, meiner Meinung nach, eine sehr gute Chance – freilich, eine gute Weile würde es auch dann dauern. Aber die Triffids sind ein entscheidender Faktor. Sie sind etwas, mit dem noch keine aufsteigende Zivilisation zu kämpfen hatte. Werden sie uns von der Herrschaft verdrängen, oder sind wir imstande, sie aufzuhalten?
Es müsste sich ein einfacher Weg finden lassen, mit ihnen aufzuräumen. Wir sind noch nicht so übel dran – wir können sie in Schach halten. Aber unsere Enkel – was werden die gegen sie unternehmen? Werden sie ihr ganzes Leben in kleinen Schutzgebieten zubringen müssen, die sie mühsam und in steter Abwehrbereitschaft gegen die Triffids zu verteidigen haben?
Ich bin überzeugt, dass es einen einfachen Weg gibt. Nur setzt das Auffinden eines solchen Weges so viel komplizierte Forschung voraus. Und nun fehlen die nötigen Hilfsquellen.«
»Wir verfügen doch über alle Hilfsquellen, die es je gegeben hat, wir müssen sie nur nutzen«, warf Josella ein.
»Über die materiellen, ja. Über die geistigen, nein. Was wir brauchen ist ein Team, eine Arbeitsgemeinschaft von Fachleuten, die sich das Ziel setzt, den Triffids den Garaus zu machen. Es gibt Mittel, davon bin ich überzeugt. Hormone etwa, die nur bei Triffids Schädigungen hervorrufen … Es muss möglich sein – nur müsste man das nötige geistige Potenzial für diese Aufgabe einsetzen.«
»Wenn du davon überzeugt bist, warum versuchst du es nicht?«, fragte sie.
»Aus mehr als einem Grund. Erstens fehlen mir die Fähigkeiten – ich bin nur ein mittelmäßiger Biochemiker, und ich bin allein. Es gehört auch ein Labor dazu und Ausrüstung. Außerdem vor allem Zeit, und ich habe schon so genug zu tun. Dann müsste man synthetische Hormone in genügender Menge, also fabrikmäßig, herstellen. Aber zuerst muss die Forschungsgemeinschaft da sein.«
»Man könnte ja Leute schulen.«
»Sicher – wenn man sie bei anderen notwendigen Arbeiten entbehren kann. Ich habe eine Masse biochemischer Literatur gesammelt, in der Hoffnung, dass sich einmal Leute finden, die sie benützen – ich werde David in allem unterrichten, was ich weiß, und er muss es weitergeben. Aber falls Freizeit und Muße fehlen, sehe ich keine andere Möglichkeit für uns als die Schutzgebiete.«
Josella blickte mit gefurchter Stirn auf eine Gruppe von vier Triffids, die unter uns querfeldein zog.
»Früher hat man immer behauptet, die schärfste Konkurrenz des Menschen seien die Insekten. Mir scheint, die Triffids haben etwas mit gewissen Insektenarten gemeinsam. Oh, ich weiß, biologisch gehören sie zu den Pflanzen. Ich meine es in dem Sinn, dass sie sich nicht um das Einzelwesen kümmern und das Einzelwesen sich nicht um sich selber kümmert. Einzeln haben sie etwas, das nur eine entfernte Ähnlichkeit mit Intelligenz hat; beim Kollektiv ist die Ähnlichkeit weit größer. Wie die Bienen und Ameisen arbeiten sie unbewusst für ein gemeinsames Ziel und werden sozusagen von einem Kollektivbewusstsein gesteuert.
Es ist alles sehr eigenartig – und im Grunde für uns wohl unverständlich. Sie sind so anders. Sie scheinen alles, was wir von Vererbung wissen, über den Haufen zu werfen. Gibt es in einer Biene oder in einer Triffid so etwas wie ein Gen für Kollektivaufgaben, oder hat eine Ameise ein Gen für Architektur? Und wenn das der Fall ist, warum haben wir nicht ein Gen für Sprache oder fürs Kochen entwickelt? Was immer es sein mag, die Triffids scheinen tatsächlich so etwas zu haben. Wahrscheinlich weiß keine einzelne Triffid, warum sie vor unserem Zaun wartet, aber der ganze Haufen weiß, dass er uns kriegen will – und früher oder später auch kriegen wird.«
»Da kann immer noch manches geschehen, das zu verhindern«, sagte ich. »Ich wollte dich nicht verzagt machen.«
»Bin ich auch nicht – nur manchmal, wenn ich müde bin. Gewöhnlich habe ich gar keine Zeit, mir viel Gedanken über die Zukunft zu machen. Nein, in der Regel geht es bei mir über ein bisschen Traurigsein nicht hinaus. Ich werde sentimental, wenn du Platten spielst – für mich hat es etwas Erschreckendes, ein großes Orchester zu hören, das nicht mehr da ist und doch weiterspielt für eine winzige Gruppe, die
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