Die Trinity-Anomalie (German Edition)
endgültig überholt war oder man nicht mehr genug verdiente, um davon zu leben. Je nachdem, was zuerst eintraf. Sie hoffte, sie würde diesen Tag nie erleben, aber falls doch, würde sie sich nicht unterkriegen lassen.
Sie hatten sich im Konferenzraum Trinitys Live-Sendung angesehen und Scherze über seine »Predigt« mit dem Sinnspruch »Glaube ohne Werke ist tot« gemacht. Die Leute nannten seine Darbietung tatsächlich Predigt, ganz ohne Ironie. Trinity hatte den Medien nicht gerade viel Material geliefert, und schon zehn Minutennach seinem Auftritt fingen die Kommentatoren an, sich zu wiederholen. Kathy machte ein langes Gesicht und sagte zu Julia: »Zeigen wir die Freakshow«, und nach einer Werbepause wurden die ersten Reaktionen aus den Zeltstädten auf Trinitys Parkplatz und im Centennial Park gesendet: Interviews mit bekifften Hippies, besoffenen Bikern und vom Versprechen des unmittelbar bevorstehenden Paradieses (oder Armageddons) berauschten Christen. Und mit richtig Verrückten.
Und dann war die verdammte Bombe in Trinitys Garderobe hochgegangen.
Sechs Menschen waren dabei ums Leben gekommen, vielleicht mehr.
Es war nicht bekannt, ob sich Tim Trinity unter den Todesopfern befand, aber allem Anschein nach waren drei Männer darunter. Laut Gerichtsmediziner hatten sich bei der Detonation mehrere Personen in unmittelbarer Nähe des Sprengsatzes aufgehalten. Daher waren die menschlichen Überreste stark fragmentiert, was die Identifizierung erschwerte. Trinity war seither nicht mehr gesehen worden. Auf dem Gang vor seiner Garderobe waren einige Überlebende gefunden worden, die aber alle auf der Intensivstation lagen. Niemand wusste, ob sie lange genug überleben würden, um von der Polizei verhört zu werden.
Die Polizei von Atlanta hatte Trinitys Kirche gestürmt, und eine Stunde später war die Spurensicherung des FBI eingetroffen. Dann wurden die Leichensäcke rausgeschleppt. Einige waren fast leer, enthielten nur einen einzelnen Fuß, einen Kopf oder einen Arm.
Da hatte Julia leise aufgejammert. Sie dachte, es wäre nur in ihrem Kopf passiert. Aber alle im Konferenzraum hatten ihren Blick vom Bildschirm gelöst und sie angesehen. Dann hatte Kathy sie am Arm genommen, gefragt, ob es ihr nicht gut gehe, und sie quer durch die hektische Nachrichtenredaktion in ihr Büro bugsiert.
Jetzt saß sie da, starrte ihr Handy an, und dachte:
Verdammt noch mal, Danny, ruf an …
Sie versuchte vergebens, die Erinnerung an ihren gemeinsamen Spaziergang am Vortag zu verdrängen … und an den Kuss …
Und an das, was sie zuletzt gesagt hatte:
»
Zwischen uns ist schon lange Schluss. Und daran wird sich auch nichts ändern, selbst wenn du dein Priesteramt niederlegst.«
Er würde doch bestimmt anrufen. Wenn er noch am Leben war, hätte er doch schon längst angerufen …
51
Daniels Handy war in dem Chaos verloren gegangen. Akku und SIM-Karte aus dem Telefon seines Onkels hatte er entfernt, damit sie nicht geortet werden konnten. Außerdem blieb er auf Nebenstraßen abseits der Interstate Highways und weit unter dem Tempolimit.
Der Adrenalinrausch war verflogen. Beide Männer hatten ein Tief und ihre Nerven lagen blank. Trinity schien keine Lust zu haben zu reden, was Daniel ganz gelegen kam. Er brauchte jetzt Zeit zum Nachdenken. Eine Zeit lang fuhr er ziellos dahin, dann hoch in die ländliche Bergregion im Nordwesten Georgias, wo die Straßen unbefestigt waren. Er drang tief in die Wälder vor, wo er, circa fünfzig Kilometer von der nächsten Stadt entfernt, eine verlassene Jagdhütte fand. Sie war nicht ans Stromnetz angeschlossen und wurde durch einen Generator versorgt. Der Generator war kalt, die Hütte dunkel, und es sah aus, als wäre seit Längerem niemand dort gewesen.
Daniel hebelte ein Fenster auf, kletterte hinein, entriegelte die Vordertür und ließ Trinity hinein. Die Hütte war komfortabler als erwartet. Wahrscheinlich gehörte sie einem Manager, der es gern einmal etwas rustikaler hatte, aber ohne gleich auf alle Annehmlichkeiten verzichten zu müssen.
Trinity fand Dosensuppe und Trockenfleisch im Schrank. Damit würden sie bis zum nächsten Morgen durchhalten. Als die Sonne unterging, verhängte Daniel die Fenster mit Decken undzündete eine Petroleumlampe an, die er unter dem Waschbecken gefunden hatte. Dann aßen sie Suppe aus der Dose und hörten sich auf einem Kurbelradio die Nachrichten an.
Zwölf Tote in Trinitys Kirche. Sechs bei der Explosion ums Leben gekommen und sechs
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