Die Troja-Mission
Ausrüstung. Neben ihren Tauchgeräten hatten sie auch die gestohlenen Odyssey-Overalls samt den Dienstausweisen dabei, auf denen diesmal allerdings ihre eigenen Fotos prangten, wobei Giordinos Gesicht so retuschiert worden war, dass er wie eine pummelige Frau wirkte. Da sie ohnehin warten mussten, bis ihre Tauchausrüstung aus Washington eingeflogen wurde, waren sie zu einem Fotografen gegangen, der Passbilder von ihnen anfertigte und in die in Plastik eingeschweißten Ausweise einsetzte. Er hatte einen saftigen Preis verlangt, aber keine Fragen gestellt.
Der Virage TX war anthrazitgrau lackiert, sodass er im schwarzen Wasser kaum auffiel. Im Kino schleichen Agenten immer in hautengen schwarzen Anzügen herum, aber dunkelgraue Töne sind bei Nacht und Sternenlicht weitaus schwerer zu erkennen. Außerdem war der Dreizylindermotor von den Ingenieuren der NUMA auf gut hundertsiebzig PS auffrisiert worden. Spezialdämpfer sorgten dafür, dass Motor- und Auspuffgeräusche um neunzig Prozent leiser als gewöhnlich waren.
Nur das leichte Klatschen des Bugs und das gedämpfte Summen des Auspuffs waren zu hören, als sie über das dunkle Wasser preschten. Sie waren von einer verlassenen Werft südlich von Granada aufgebrochen und hatten eine halbe Stunde später die Küste der Isla de Ometepe erreicht.
Jetzt kurvten sie um die Südspitze der Insel, vorbei am Vulkan Maderas, und hielten gut eine Meile Abstand zur Küste und dem sandigen Strand, als sie die Landenge zwischen den beiden Bergen passierten. Hell hoben sich die Lichter der Industrieanlage vor der dunklen Masse des Concepción ab. Hier gab es keinen Stromausfall. Die Geschäftsleitung von Odyssey fühlte sich sicher im Schutz ihrer Wachmannschaften und der zahllosen Ortungsgeräte und Detektoren.
Pitt fuhr langsamer, als sie sich dem Hafengelände näherten, wo ein Containerschiff von COSCO im gleißenden Lichtermeer zahlloser Strahler lag. Pitt konnte die Kräne erkennen, die große Frachtcontainer auf die am Kai stehenden Lastwagen verluden. Allem Anschein nach löschte das Schiff hier nur seine Fracht, nahm aber keine neue an Bord. Allmählich war er davon überzeugt, dass diese Anlage mehr war als nur ein Forschungs- und Entwicklungszentrum. Sie musste in irgendeinem Zusammenhang mit den Tunneln stehen, die unter ihr hindurchführten.
Sandecker hatte den Einsatz zu guter Letzt grundsätzlich gebilligt. Zudem hatten Yeager und Gunn Pitt und Giordino auf den neuesten Stand der Dinge gebracht und ihnen mitgeteilt, welchem Zweck die Tunnel höchstwahrscheinlich dienten. Alle waren einhellig der Meinung gewesen, dass sie bei der Erkundung dieser Anlage unbedingt in Erfahrung bringen mussten, aus welchem Grund Specter Europa im Eis versinken lassen wollte.
Pitt nahm das Gas zurück, während Giordino einen einfachen, tragbaren Radardetektor im Blick behielt. »Wie sieht’s aus?«, fragte Pitt.
»Der Strahl geht über uns hinweg, ohne innezuhalten. Folglich haben sie uns nicht erfasst.«
»Trotzdem war es gut, dass wir die entsprechenden Vorkehrungen getroffen haben und das letzte Stück unter Wasser zurücklegen können«, sagte Pitt und deutete mit dem Kopf auf zwei Suchscheinwerfer, deren Strahlen knapp fünfhundert Meter vor der Küste über das Wasser strichen. »Laut Echolot sind es nur noch knapp sieben Meter bis zum Grund. Wir müssen außerhalb der Hauptfahrrinne sein.«
»Wird Zeit, dass wir das Schiff verlassen und ins Wasser gehen«, sagte Giordino und deutete auf ein Patrouillenboot, das gerade das Ende eines langen Kais umrundete.
Ihre leichten Nasstauchanzüge trugen sie bereits, sodass sie jetzt nur noch ihre Tauchausrüstung und das weitere Zubehör aus dem Stauraum des Jet-Skis holen mussten. Der Virage war ein stabiles Gefährt, auf dem sie stehen und sich gegenseitig beim Anlegen der Atemgeräte helfen konnten, einem Typ, wie er vom Militär bei Einsätzen in seichten Gewässern verwendet wird. Nachdem sie ihre Ausrüstung kurz überprüft hatten, ließ sich Giordino ins Wasser gleiten, während Pitt die Lenkgabel geradeaus richtete und festband. Dann drehte er den Jet-Ski herum, bis der Bug zum Westufer des Sees gerichtet war, drehte das Gas auf und stieß sich ab. Beide Männer tauchten sofort unter, ohne dem davonrasenden Fahrzeug noch einen Blick hinterherzuwerfen. Obwohl sie Funkgeräte dabeihatten, befestigten sie eine drei Meter lange Verbindungsleine an ihren Bleigurten, um sich in dem pechschwarzen Wasser nicht zu
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