Die Trolle
schluchzte, senkte sie den Arm und fuhr ihn an: »Reiß dich zusammen, du Trottel!«
»Meine Frau, meine Kinder, wovon sollen wir leben?«
»Das hättest du dich lieber gestern fragen sollen, bevor du alles verzockt hast! Und jetzt raus hier, oder ich breche dir den Arm!«
»Aufhören!«, ertönte plötzlich eine tiefe Stimme von der Tür her und ließ Flores überrascht aufsehen. Im Rahmen stand eine dunkle, hagere Gestalt, vom Sonnenlicht eingehüllt, deren Antlitz unter einer tief ins Gesicht gezogenen Gugel nicht zu erkennen war.
Langsam stand Flores auf und sah sich nach ihren Waffen um, die jedoch hinter dem Bett lagen, noch immer in den ledernen Scheiden an ihrem schweren Waffengürtel, den sie wohl einfach nur irgendwo hingeworfen hatte. Erste Regel: Sei dir immer bewusst, wo deine Waffen sind, erinnerte sie sich bitter an eine der Lektionen ihrer Jugend.
»Was ist hier los?«, fragte der Unbekannte, und sofort brabbelte der andere los: »Sie ist eine Betrügerin, Herr! Sie hat mich bestohlen! Mein ganzes Geld, Herr!«
»Tatsächlich? Na so was. Wie viel war es denn?«
»Verflucht, die Saufnase lügt«, entfuhr es Flores, und sie machte sich bereit, nach ihren Waffen zu greifen, doch der Neuankömmling hob nur beschwichtigend die Hand: »Also, wie viel?«
»Drei Silber, Herr«, antwortete der Geschlagene eifrig.
»Hier«, rief der immer noch in Schatten gehüllte Mann und warf dem anderen einen kleinen Beutel zu, der klimperte, als er auf dem Boden landete.
»Aber gib darauf Acht und versaufe und verhure nicht alles!«
»Ja, Herr. Danke, Herr!«, erwiderte der Angesprochene, während er den Beutel an die Brust presste und sich an dem Neuankömmling vorbei durch die Tür zwängte. Mit einem letzten giftigen Blick aus seinen langsam zuschwellenden Augen auf Flores rannte er davon. Diese aber sah sich müde in ihrem Zimmer um und suchte nach ihrer Hose. Nach einiger Zeit bemerkte sie, dass der schlanke Fremde immer noch in der Tür stand. »Zufrieden, Nati? Wieder ein gutes Werk getan?«
»Leise, verdammt«, antwortete Natiole und sah sich verstohlen um, bevor er gänzlich in den Raum trat.
»Wieso? Inkognito unterwegs?«
»In … was?«
»Möchtest du gern unerkannt bleiben?«, fragte Flores erklärend, und Natiole nickte, als er die Tür schloss.
»Habe ich dich hereingebeten?«, fragte Flores fuchtig, während sie eine lederne Hose aus dem Chaos ihres Zimmers fischte und hineinschlüpfte. Als Antwort warf Natiole seine Kapuze zurück und sah sie finster an. Der Wlachake war gut einen Kopf größer als sie, aber ebenso schlank. Schon so mancher Feind hatte seine Kraft und sein Können unterschätzt, weil er auf den ersten Blick schlaksig und ungeschickt wirkte.
Aber Flores kannte sowohl seine Kraft als auch seine Geschicklichkeit und Ausdauer, denn es hatte viele Monde gebraucht, bis sie in der Lage gewesen war, Natiole regelmäßig bei Waffengängen zu besiegen. Selbst heute noch, da sie ihr Leben mit der Klinge verdiente, wäre sie vorsichtig bei einem Duell mit dem Rebellen, denn er hatte vermutlich mehr Gefechte und Kämpfe überlebt, als sie jemals austragen würde, und sich dabei eine Erfahrung und Kaltblütigkeit angeeignet, die ihresgleichen suchte.
»Ja, ja, schon gut. Komm nur rein«, bat Flores ihren alten Freund mit einer ironischen Verbeugung und strich sich dann die schwarzen Haare aus dem Gesicht, wobei sie feststellte, dass in einigen Strähnen irgendeine zähe Substanz klebte, die sie lieber nicht allzu genau untersuchen wollte.
»Du siehst nicht gut aus«, stellte Natiole trocken fest, und Flores wusste, dass er wohl Recht hatte. Die langen Haare waren verfilzt, und falls man ihr das flaue Gefühl im Magen ansehen konnte, tippte sie darauf, dass ihre Gesichtsfarbe grünlich war.
»Gestern war es sehr feucht, Nati.«
»Scheint so. Hättest du dem armen Mann wirklich den Arm gebrochen?«
»Mach dich nicht lächerlich! Natürlich nicht. Aber er hatte eine Abreibung verdient. Einfach so auf mich einzuschlagen«, erwiderte Flores.
»Er hatte Angst. Drei Silberne sind viel Geld für eine einfache Familie«, erklärte Natiole, aber Flores winkte ab: »Wenn ich drei Silber gewonnen hätte, dann wäre ich bestimmt nicht bei dem billigen Fusel geblieben, und mein Schädel würde sich jetzt besser anfühlen. Er hat dich übers Ohr gehauen!«
»Ich habe ihm zwanzig Silber gegeben«, sagte Natiole ungerührt.
»Was? Bist du von Sinnen?«, stöhnte Flores verzweifelt.
»Nein. Ich
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